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Vom Himmel lernen

Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Der Himmel ist zwar riesig und unendlich, aber erdrückt mich nicht, sondern ermutigt mich.

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Glauben Sie an den Himmel? Der ist in der Bibel ein Gleichnis für Gott, der fern ist wie der Himmel und unfassbar und doch überall und über allem. Aber wenn man unter „glauben“ versteht „nicht sicher wissen“, dann müssen wir nicht an den Himmel glauben. Dass es ihn gibt, ist offensichtlich. Wir sehen ihn über uns bei Tag und Nacht, blau und sonnenhell oder wolkenverhangen oder sternenübersät. Doch anders als die Erde können wir den Himmel nicht betreten, nicht besitzen, nicht begreifen. Der Himmel ist kein Ort. Der Himmel ist eine Erfahrung. Eine Warnung. Und ein Versprechen.

Die Warnung, die mir der Himmel zuflüstert, lautet: „Bleib am Boden. Es gibt unendlich mehr als das, was du erreichen und verstehen kannst. Und wie der Himmel ist das Leben zu hoch für dich.“ Das haben Menschen schon in alten Zeiten erkannt. Sie konnten die Berge erklimmen – aber der Himmel war auch auf dem Gipfel unerreichbar. Am Horizont scheinen sich Himmel und Erde zu berühren – aber man kann ein Leben lang auf den Horizont zulaufen, ohne dem Himmel einen Schritt näherzukommen. „Sei vorsichtig“, warnt mich der Himmel, „wenn dir jemand den Himmel verspricht. Erst recht den Himmel auf Erden.“

„Wer hochnäsig ist, reckt zwar Kopf und Nase in die Höhe. Aber er schielt dabei nach unten.“

Aber der Himmel gibt mir auch ein Versprechen. „Lass den Kopf nicht hängen“, sagt er mir, „heb deinen Blick. Schau nach oben. Das wird dir guttun. Du weißt doch: Alles Gute kommt von oben!“ Ja, das wissen wir, auch wenn es uns nicht bewusst ist. Unser „Körpergedächtnis“ bewahrt Erinnerungen, die tiefer sitzen als Denken und Bewusstsein. Um zu überleben, braucht jedes Neugeborene Menschen, die sich zu ihm hinabbeugen und ihm Nahrung, Aufmerksamkeit, Zuwendung schenken.

In dieser überlebensnotwendigen Zu-Neigung wurzelt das Ur-Vertrauen ins Leben. Und jeder Blick nach oben erinnert daran. Wenn ich hochschaue zum Himmel, spüre ich zwar, wie klein ich bin. Aber ich fühle mich nicht niedergedrückt und kleingemacht. Sondern ermutigt. Aufgerichtet. Ich staune. Und muss fast immer lächeln. Ich tanke Lebensmut, wenn ich den Kopf nicht hängen lassen. Sondern aufschaue. Und das Leben anhimmele.

Es reicht dazu nicht, den Kopf zu heben. Ich muss den Blick nach oben richten. Wer hochnäsig ist, reckt zwar Kopf und Nase in die Höhe. Aber er schielt dabei nach unten. Schaut herab auf andere, nicht über sich hinaus. Und Rivalität schafft vielleicht ein Gefühl der Überlegenheit, aber niemals Zuneigung und Vertrauen.

Glaube ich dem Himmel? Dass da mehr ist als mein Horizont? Dass ich von Zuwendung lebe, jeden Tag? Dass das Leben kein Himmelfahrtskommando ist? Sondern ein Geheimnis. Und ein Geschenk. Ich will’s dem Himmel wohl glauben.


Zur Person:

  • Heinrich Dickerhoff ist Akademiedirektor in Rente, Hausmann und arbeitet als freiberuflicher Dozent.
  • Er wohnt in Cloppenburg.
  • Den Autor erreichen Sie unter: redaktion@om-medien.de.

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