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Vom Geben und Nehmen

Kolumne: Bettler, Obdachlose, Junkies – sie alle genießen keinen guten Ruf. Und doch gibt es Menschen, die ihnen 2 Minuten ihrer Zeit gönnen.

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Wie schön ist es doch immer wieder, an einem Samstag einfach mal nach Oldenburg zu fahren und durch die hübsche Innenstadt zu bummeln! Auf dem Wochenmarkt duften mittlerweile die ersten Steinpilze, im Modehaus erfahren wir, in welcher Farbe wir durch die Herbst-Winter-Saison kommen. Wochenend-Herz, was willst du mehr?!

Wären da zwischendurch nicht immer wieder diese Moll-Töne, diese unangenehmen Momente – wenn wir an Menschen vorbeigehen müssen, die uns zu Füßen hocken, zusammengekauert, die umgedrehte Mütze oder den Pappbecher vor sich.

Wobei: Eigentlich habe ich sie ja auch gar nicht gesehen. Den großen Bogen wäre ich eh gelaufen, weil mir da hinten ein Hund entgegenkommt. Außerdem sind das ohnehin alles Banden. Hat man ja oft genug gelesen, wie die abends plötzlich wieder putzmunter, ohne Handstock, laufen können und mit dem dicken Auto eingesammelt werden.

Aber dann – kurz vor dem Modehaus – muss ich in sicherer Entfernung doch kurz stehenbleiben. Da schlurft ein alter Mann im grauen Anorak, der selbst nicht gerade nach Geld aussieht, zu einem der Bettler und reicht ihm einen Kaffeebecher und eine Brötchentüte. Dem Mann im Schneidersitz scheint diese Geste beinahe unangenehm zu sein. Die beiden wechseln drei Worte, dann schlurft der alte Mann weiter.

„Für einen Menschen gibt keiner was – für einen Hund vielleicht.“

Wie viel wahres Leben doch in dieser Szene steckt, denke ich bei mir. Wenn wir ehrlich sind, ist es doch so: Niemand hastet so eilig und arrogant an denen da unten vorbei, wie die gut Betuchten. Die Dame mit der Louis-Vuitton-Tasche, der braungebrannte Herr im Kaschmirpulli – sie alle haben keinen Euro und erst recht keinen Blick übrig. Uns hat den BMW ja schließlich auch keiner geschenkt, nicht wahr?!

Und dann sind da die, die selbst nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Die wissen, was es heißt, knausern zu müssen. Und gerade weil sie es wissen, sind sie es, die auch mal stehen bleiben, nachfragen und bereitwillig einen Euro oder ein Brötchen springen lassen. Wer viel hat, will viel behalten. Wer ohnehin auf keinen grünen Zweig kommt, der kann großzügiger sein. Manch Bettler hat heutzutage seinen vierbeinigen, besten Freund bei sich. Für einen Menschen gibt keiner was – für einen Hund vielleicht.

Womöglich sollte man einfach nicht jedem Bettler, den man sieht, per se unterstellen, dass er nur abkassieren will, sich von meinen 50 Cent gleich Drogen oder Alkohol kaufen wird. Wer sich in einer rappelvollen Innenstadt wortwörtlich in die Gosse setzt, muss einen verdammt guten Grund dafür haben. Ich kenne ihn nicht, ich muss ihn auch nicht wissen.

Was ich aber weiß: Beim nächsten Oldenburg-Besuch habe ich eine Handvoll Kleingeld in der Manteltasche dabei. Und dann kaufe ich auch frische Pasta und die ersten Steinpilze der Saison. Diesmal hätten sie mir nämlich nicht so recht geschmeckt…


Zur Person:

  • Heiko Bosse ist Mitglied der Chefredaktion der OM-Medien
  • Den Autor erreichen Sie per Mail an: redaktion@om-medien.de

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