Wie Luther eine tief schwarze Region prägt
Ein neues Buch des Heimatbundes befasst sich mit dem Protestantismus im Oldenburger Münsterland. Er liefert Antworten auf vermeintliche Widersprüche.
Thomas Speckmann | 22.06.2020
Ein neues Buch des Heimatbundes befasst sich mit dem Protestantismus im Oldenburger Münsterland. Er liefert Antworten auf vermeintliche Widersprüche.
Thomas Speckmann | 22.06.2020
Druckfrisch auf dem Markt: Heimatbund-Präsident Stefan Schute, Herausgeber Michael Hirschfeld und Geschäftsführerin Gisela Lünnemann (von links) präsentieren den Band "Luthers Lehre im Oldenburger Münsterland". Foto: Speckmann
In der Kirche St. Vitus in Vestrup steht eine fast 430 Jahre alte Kanzel. Ihr Korb zeigt die vier Evangelisten und die Aufschrift "Verbum Dei manet in aeternum". Dabei handelt es sich um einen Kampfspruch der Reformation, übersetzt: "Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit." Aus theologischer Sicht ist es schon erstaunlich, dass diese demonstrativen Zeilen die Gegenreformation überdauert haben. Somit ist die Kanzel ein bedeutendes Überbleibsel aus einer Zeit, in der das Oldenburger Münsterland überwiegend lutherisch war. Wie der protestantische Glaube in eine heutzutage als tief schwarz empfundene Region passt, verdeutlicht ein neues Buch, das im Auftrag des Heimatbundes Oldenburger Münsterland entstanden ist. Herausgeber und Initiator ist Michael Hirschfeld, zugleich Vorsitzender des Geschichtsausschusses im Heimatbund. Er hat gemeinsam mit weiteren Historikern und Theologen einen Blick in die Geschichte geworfen. "Es ist hochinteressant zu erforschen, welche Spuren Luthers Lehre im Oldenburger Münsterland hinterlassen hat." Das Werk trägt den Titel "Luthers Lehre im Oldenburger Münsterland". Es versteht sich als nachträgliche Gabe der regionalgeschichtlichen Forschung zum Reformationsgedenken, das im Jahr 2017 ganz groß gefeiert wurde. Die vier Autoren liefern Antworten auf einen vermeintlichen Widerspruch, indem sie zentrale Aspekte und Stationen lutherischen Glaubenslebens in den heutigen Kreisen Vechta und Cloppenburg aus 500 Jahren vorstellen. "Es ist hochinteressant zu erforschen, welche Spuren Luthers Lehre im Oldenburger Münsterland hinterlassen hat", sagt Heimatbund-Präsident Stefan Schute. In seinem Vorwort macht er gleich deutlich, dass der starke Einfluss der Religion auf die hiesige Region trotz der zunehmenden Loslösung aus den Kirchen, den rückläufigen Zahlen der katholischen und evangelischen Christen sowie neuer Glaubensrichtungen immer noch spürbar sei. Die Reformation sei in der hiesigen Region erst relativ spät angekommen und durch die einsetzende Gegenreformation wieder zurückgedrängt worden. Dieser schnelle Wechsel der vorherrschenden Konfession habe damals zu Verwirrung geführt. So manche Geistliche hätten zeitweise nicht gewusst, ob sie katholisch oder evangelisch seien. Die Verhältnisse würden in den Beiträgen untersucht und dargestellt. "Durch das Studium dieser Texte versteht man ein wenig besser, wie und warum die Menschen in unserer Heimat so ticken", sagt Schute. In diesem Punkt kann ihm Hirschfeld nur beipflichten. Der Gymnasiallehrer und Privatdozent an der Universität Vechta hat sich mit ganz besonderem Interesse dem Thema genähert: "Es war für mich ein Reiz, als Katholik ein Buch über die lutherische Konfession herauszugeben", sagt er. Die mit unzähligen Quellen gestützte Gemeinschaftsarbeit soll neue Schlaglichter auf die katholische Mehrheitskonfession werfen, sodass sich in diesem kleinen Band keineswegs allein die lutherische Konfessionsgeschichte widerspiegelt, sondern auch unverhoffte Einblicke in fünf Jahrhunderte religiöser Kulturgeschichte geboten werden, die sowohl für Protestanten als auch Katholiken eine spannende Lektüre versprechen. Exklusive Berichte und Recherchen aus dem Oldenburger Münsterland: Jetzt bei OM Plus anmelden. Ralph Hennings hat sich damit auseinandergesetzt, wie in der katholischen Region die Reformationsjubiläen in den Jahren 1817 und 1917 begangen wurden. Dazu hat der Pastor der St.-Lamberti-Kirche in Oldenburg alte Predigten und Schriften aufgegriffen. Sie liefern eine Antwort darauf, wie Lutheraner damals über Einheit und Freiheit dachten und welche Reaktionen die Predigten möglicherweise bei der katholischen Mehrheit hervorriefen. Auch Gerd Dethlefs hat an dem Buch mitgearbeitet. Der Kurator des Westfälischen Landesmuseums für Kunst- und Kulturgeschichte in Münster ist ein ausgewiesener Experte für den Adel der frühen Neuzeit. Unter dem Motto „Kampf um die Kirche(n)“ zeigt der Historiker dem interessierten Leser auf, welche Spuren der protestantische Adel im Niederstift Münster in den Jahren 1550 bis 1803 hinterlassen hat. Mit diesem Thema hat sich früher schon einmal der Pfarrer Tim Unger im Rahmen einer Dissertation befasst. Unger ist auch im aktuellen Werk vertreten. Er hat sich einem bisher kaum erforschten Ort lutherischen Bekenntnisses gewidmet, der ihm seit seiner Amtszeit als evangelisch-lutherischer Pfarrer von Dinklage und Wulfenau bestens vertraut ist. Es geht um eine rund 200-jährige Zeitspanne in der Bauernschaft Wulfenau, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts als kleines Dorf über eine eigene lutherische Kirche verfügt - ein wohl einmaliges Phänomen in der Region. Ein spannendes Thema hat Michael Hirschfeld aufgegriffen. In seinem Beitrag geht es um konfessionelle Kontroversen in Südoldenburg infolge des Zustroms evangelischer Vertriebener und Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg. „Auch das sind Wegmarken in der Geschichte des Protestantismus in einer bis heute mehrheitlich katholischen Region“, sagt der Herausgeber.Buch befasst sich mit der Lehre von Martin Lutter
Reformation erreicht Oldenburger Münsterland erst spät
Protestantischer Adel hinterlässt Spuren
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