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Später Schnee sorgt für Durcheinander bei den Kranichen

Vögel, die hier überwintern wollten, flüchten noch schnell Richtung Frankreich. Andere kommen gleichzeitig von dort zurück, um sich die Brutreviere zu sichern.

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Futtersuche bei -12 Grad: Zwei Kraniche auf einem Acker am Rande des Goldenstedter Moores. Foto: M. Niehues

Futtersuche bei -12 Grad: Zwei Kraniche auf einem Acker am Rande des Goldenstedter Moores. Foto: M. Niehues

Das Durcheinander könnte kaum größer sein. Als vor etwas über zwei Wochen ein Schneesturm über Norddeutschland hereinbrach, wurde auch die Tierwelt im Bereich des Großen Moores der Dümmerniederung hart getroffen. Besonders erwischt hat es dabei die Kraniche, die zuletzt, wegen der milden Winter, im Herbst hier nicht nur rasteten, sondern zum Teil ganz blieben.

Kranichbeobachter sehen aktuell völlig gegenläufige Zugrichtungen. Während verschiedene Gruppen wegen des plötzlich hereinbrechenden Winters sich doch noch gen Frankreich Richtung Süden aufmachten, kommen die ersten Kraniche bereits aus dieser Region zurück, um rechtzeitig ihre Brutreviere aufzusuchen und zu sichern.

Wie der Naturschutzbund (Nabu) aktuell feststellt, ist die Rückkehr aus dem Winterquartier auch immer das Besetzen der besten Brutreviere. Deshalb hätten sich schon jetzt zahlreiche Kraniche auf dem Weg nach Norden gemacht. Aktuell soll die Zahl der sogenannten Kälte-Ausweichflügler bereits wieder abnehmen. Wenige Tage zuvor hatte die Organisation noch festgestellt, dass viele Kraniche Richtung Südwest vor Schnee und Frost flüchten.

Imposanter Anblick: Zwei Kraniche fliegen über das Goldenstedter Moor. Foto: M. NiehuesImposanter Anblick: Zwei Kraniche fliegen über das Goldenstedter Moor. Foto: M. Niehues

Der Nabu räumt ein, dass die aktuellen Kranichbeobachtungen nicht ganz einfach zu interpretieren sind. "Es sieht ganz so aus, als hätten wir momentan einen bunten Mix aus frühen Rückkehrern aus den Winterquartieren" und auch sogenannten "Hierbleibern", die gar nicht weggezogen waren.

Auch die Biologin Caroline Poitzsch von der  Natur- und Umweltschutzvereinigung Dümmer (NUVD) hält es für wahrscheinlich, dass sich Kraniche, die hier vor dem späten Wintereinbruch Richtung Frankreich geflüchtet sind, sich entgegenkommenden Gruppen angeschlossen haben und zurückgeflogen sind. Denn der biologische Druck, die Brutgebiete im Norden Deutschlands und in Skandinavien rechtzeitig zu erreichen, um sich einen Platz zu sichern, sei groß.

Aber Caroline Poitzsch hat beobachtet, dass die Zahl der Kraniche, die statt hier nur zum Rasten, ganz zum Überwintern hier bleiben, stetig zunimmt. Mildere Winter nennt sie hier als Grund, aber auch die besseren Bedingungen, die mit der Renaturierung der Moore einhergeht. Kraniche benötigen feuchte Flächen, um sich zu schützen. Zugute kommt den Tieren zudem die hohe Anzahl der Maisäcker. Weil die Flächen nach der Ernte jetzt wegen der neuen Düngeverordnung nicht sofort umgepflügt werden dürfen, finden die Kraniche mehr Maisreste als Futter zwischen den Stoppeln der Felder.

Die besten Zeit, Kraniche in den hiesigen Moorbereichen zu beobachten, ist zwischen Mitte Oktober bis End November. Zehntausende Vögel sind dann auf dem Weg gen Süden. In den Mooren zwischen Vechta, Diepholz und Dümmer lassen sich dann die Vögel mitunter wochenlang nieder, um Kraft für den Weiterflug zu sammeln. Auf den Äckern suchen sie dann tagsüber nach Futter, um zum Zeitpunkt der Dämmerung ihren sicheren Schlafplatz im Moor aufzusuchen. Bei Sonnenaufgang fliegen sie wieder los, um Futterplätze zu finden. Das Schauspiel lockt Jahr für Jahr viele Kranichbeobachter aus ganz Europa in die Diepholzer Moorniederung. Der NUVD bietet hier für Interessierte auch Kranich-Führungen an. 

Kämpfen sich durch den kalten Schnee: Kraniche in Telbrake. Foto: M. NiehuesKämpfen sich durch den kalten Schnee: Kraniche in Telbrake. Foto: M. Niehues

Im Herbst werden auch die meisten Kraniche festgestellt. Nach Zählung des BUND rasten bis zu 100.000 Vögel auf ihrem Weg in den Süden im Dümmer-Weser-Land, das zugleich als drittgrößtes Kranichrastgebiet Europas gilt. Ende Oktober 2020 stellte die Naturschutzorganisation mit rund 55.500 Kranichen die größte  Zahl an Tieren in diesem Zeitraum fest. Zwei Jahre zuvor waren es im gleichen Zeitraum noch 13.000 rastende Kraniche weniger. 

Um eine doppelte Erfassung von Tieren zu vermeiden, führt der BUND sogenannte Synchronzählungen durch, in allen Teilen der Mooren wird so der Bestand von verschiedenen Beobachtern gleichzeitig erfasst. Mitte November 2020 sind auf diese Weise genau 28.824 Kraniche gezählt worden,  laut BUND ein "hoher Rastbestand in der Diepholzer Moorniederung". Genau 16.173 Tiere zählte der BUND Mitte Dezember, nach deren Feststellung der dritthöchste dokumentierte Winterbestand.

Anfang März 2020 zählten die Naturschützer 3.309 Kraniche. Während der Heimzug der Vögel weiter anhielt, brüteten in den hiesigen Mooren bereits die ersten Paare. Fraglich ist, wie sich die Wetterkapriolen der letzten zwei Wochen jetzt auf die Kraniche auswirkt. Innerhalb weniger Tage wird das Thermometer von -15 Grad nachts auf bald +15 Grad tagsüber gesprungen sein. Nicht nur NUVD und BUND blicken gespannt auf die nächsten Zahlen.

Imposante Erscheinung: Kranich über dem Moor zwischen Arkeburg und Drebber. Foto: M. NiehuesImposante Erscheinung: Kranich über dem Moor zwischen Arkeburg und Drebber. Foto: M. Niehues

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