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Sei ein anderer Anfang!

Kolumne: Auf ein Wort – Trump lässt bei seiner Amtseinführung die Hand von der Bibel. Ob ihn das Buch wohl je berührt hat?

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Bei Donald Trumps Amtseinführung ist es zu etlichen Pannen gekommen. Üblicherweise legen die amerikanischen Präsidenten ihre rechte Hand auf die Bibel, während sie die Eidesformel sprechen. Das hat Präsident Trump unterlassen. Die Bibel hat er in diesem historischen Augenblick nicht berührt. Hat sie ihn selbst jemals berührt, die Bibel?

Aber Hand aufs Herz: Wann hat ein Wort der Bibel mich selbst berührt oder etwas in mir zum Klingen gebracht? Das kann auf musikalische Weise geschehen. So hat es nach dem Zweiten Weltkrieg die Philosophin Hannah Arendt erlebt. Als deutsche Jüdin musste sie während der Nazi-Zeit ihre Heimat verlassen.

Bei einem Deutschlandbesuch hört sie nach dem Krieg in München das Oratorium „Der Messias“. Eigentlich hört sie es mit den Ohren einer Agnostikerin. Denn mit der Religion hat die bekannte Philosophin eigentlich abgeschlossen. Über den religiösen Sound in Donald Trumps Antrittsrede hätte sie schallend gelacht. Hannah Arendt hätte uns vermutlich daran erinnert, dass sich auch Diktatoren wie Hitler immer wieder auf die Vorsehung berufen haben.

„Kann ein einzelner Mensch überhaupt etwas tun, um das Rad der Geschichte aufzuhalten?“

Aber in diesem einen Konzert erlebt sie etwas ganz Neues, den Sound des Anfangs. Sie ist eigentlich mit einer negativen Haltung in ihre deutsche Heimat gekommen. Besonders eine Frage hat ihr keine Ruhe gelassen: Wie konnten die Deutschen so tief sinken? Wie konnte das Volk der Dichter und Denker derart in die Barbarei absinken?

Kann ein einzelner Mensch überhaupt etwas tun, um das Rad der Geschichte aufzuhalten? Adolf Eichmann, einer der Organisatoren der Judenmorde, wird später vor Gericht aussagen: Ich war doch nur ein Rädchen im Getriebe – so wie wir alle. Dann hört die Philosophin diese unglaubliche Musik. An einer Stelle durchzuckt es sie.

Es geht um Weihnachten: „Denn uns ist ein Kind geboren.“ Vom Kind in der Krippe ist da die Rede. Von einem anderen Anfang. Für Hannah Arendt ist jeder Mensch ein neuer Anfang. Nicht nur in Amerika, auch bei uns haben viele Menschen das dunkle Gefühl: Es geht vieles den Bach herunter. Hannah Arendt würde sagen: Höre nicht auf die Weltuntergangslieder. Höre auf den Sound des Anfangs. Eine andere Panne bei Trumps Einführung betraf die Soundanlage. Die Country-Sängerin Carrie Underwood hatte gerade angesetzt, da brach die Musik schon wieder ab.

Ton-Panne. Als die Sängerin ihren Schock überwunden hatte, lud sie das Publikum spontan ein, sie beim Singen zu unterstützen. Manchmal wirkt die Vorsehung auch durch technische Pannen. Die Botschaft könnte lauten. Es kommt auf jede Stimme an: Es kommt auf deine Stimme an. Sei ein anderer Anfang. Ich wünsche uns allen, dass wir diesen Sound des Anfangs hören und auch unsere Stimme erheben, wenn die alten Geister wieder laut werden – auch in unserem Land.


Zur Person:

  • Den Autor erreichen Sie per E-Mail an redaktion@om-medien.de.
  • Pfarrer Dr. Marc Röbel ist Geistlicher Direktor der Katholischen Akademie in Stapelfeld.

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