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Ordenskleid statt Lederhose

Kolumne: Auf ein Wort – Von einem Tag auf den anderen tritt eine Studentin in ein Kloster ein. Dort wird sie kreativ.

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Sie kam in Lederhose damals. Im Sommer 1985. Im zweiten Semester Theologie in Freiburg im Breisgau. Es muss in „Mittlere und neuere Kirchengeschichte“ gewesen sein. Das war schon mutig. Schließlich war Freiburg nicht München oder Salzburg. Und dann: Von einem Tag auf den anderen war die Studentin nicht mehr da.

Der Grund: Sie ist ins Kloster eingetreten. In die Benediktinerinnen-Abtei in Eibingen in der Nähe von Mainz. Ein Kloster, das auf Hildegard von Bingen zurückgeht, deren Fest heute gefeiert wird. Während viele mit den dicken Mauern Enge verbinden, wird sie fast zornig bei einem solch mittelalterlichen Ordensbild. „Dass das immer noch in den Köpfen rumspukt!“ Ganz im Gegenteil: Die Eibinger Mauern mit herrlichem Blick auf den Rhein locken vieles aus der in Moers bei Duisburg Geborenen heraus. Mit ihrem immer noch vorhandenen Ruhrpott-Slang. Die im Frühjahr 60 Gewordene kann ein Talent voll entfalten, das zwar in Ansätzen vorher bereits da war, aber eben nur zaghaft: die Kunst. Irgendwann studiert sie ‚künstlerische Keramik und Glas‘. Und wird kreativ im Kloster. Ihre inzwischen deutlich über 700 Werke beschreibt sie mit den Worten: „Bunt und figürlich.“

Will sagen: Da legt beispielsweise eine 2 Meter hohe Figur den rechten Zeigefinger auf die Lippen und mahnt eindringlich zum Schweigen! Die Finger der anderen Hand biegen das linke Ohr nach vorne, um das Hören zu verstärken. Bunt sind viele ihrer Werke, weil sie ein frohes Gottesbild vermitteln will, so die Ordensfrau.

„Die Finger der anderen Hand biegen das linke Ohr nach vorne, um das Hören zu verstärken.“

Und – fast wie ein Markenzeichen: Oft schauen große, fast riesige Augen den Betrachter frontal an. Die Augen Gottes. Frontal, wie in der Romanik.

Mit ihren Altarbildern, Figuren und Statuen will sie den Menschen dazu anregen, sein Verhältnis zu Gott zu bedenken. Etwas, das ihr bei ihrem Eintritt ins Kloster wichtig war: die Möglichkeit, sich selbst und Gott näher kennenzulernen. Durch die Reduktion und Konzentration im Orden sei das mehr möglich als im sonstigen Leben.

Aber auch kein Ponyhof, holt die Ordensfrau den Zuhörer immer wieder mal auf den Boden. Zum einen zitiert sie Karl Valentin: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“. Zum anderen erinnert sie daran, dass die rund 30 Frauen ihrer Gemeinschaft ihren Lebensunterhalt wie auch in anderen Klöstern selbst erarbeiten müssen.

Was der Mensch 2025 von Hildegard von Bingen lernen kann? Jedenfalls mehr als Kräuter- und Dinkelrezepte, sagt Sr. Christophora, die die Heilige und Kirchenlehrerin erst viele Jahre nach ihrem Eintritt tief schätzen gelernt hat. Übernehmen könne er beispielsweise, dass der Mensch bei Hildegard zwar im Mittelpunkt steht, dass er seinen bei jedem vorhandenen Trumpismus aber gleichzeitig mit Demut zügeln soll.

Stichwort Zügeln. Das müsse die Künstlerin auch immer wieder bei ihrem Kloster-Hund Levi. Denn der ist Dauergast in ihrem Atelier.


Zur Person:

  • Dietmar Kattinger ist Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landes-Caritasverbandes in Vechta.
  • Sie erreichen den Autor per E-Mail unter redaktion@om-medien.de.

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