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Opas Geschenkideen und mein Matrose

Gästebuch: Weihnachten wirkt heute manchmal wie ein internationaler Hochleistungssport. Dabei war das früher irgendwie ganz anders.

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Wenn ich in diesen Tagen in unseren Läden stehe, könnte man meinen, Weihnachten sei ein internationaler Hochleistungssport. Kunden kommen oft schon morgens hereingestürmt – nicht einzeln, nein, meistens mehrere zusammen. Und alle reden gleichzeitig, als gäbe es Bonuspunkte für Schnelligkeit. „Habt ihr schon alles zusammen?“, „Klar, seit 3 Wochen, du noch nicht?“, „Ich brauche noch was für Leni“. Es ist, als würden sie sich mit Genuss gegenseitig hochschaukeln, wer am wenigsten entspannt ist.

Dabei war das früher – also vor rund 60 Jahren – irgendwie ganz anders. Natürlich schrieben wir Kinder Wunschzettel – ziemlich lang sogar und manchmal sogar als Aufsatz, das wollte unsere Tante Lucie als Lehrerin so und wir dachten, vielleicht gibt’s dann ja mehr. Bekommen haben wir aber längst nicht alles, was wir uns wünschten. Und unsere Eltern? Die schienen völlig unbeeindruckt vom Weihnachtsstress. Kein hektisches Rennen durch Geschäfte für die eigenen Geschenke, kein Onlineversand mit Expresszuschlag. Irgendwie hatten sie eine bemerkenswerte Ruhe – ob bewusst oder mangels Alternativen, weiß ich nicht.

Ich erinnere mich gut, wie ich als 4- oder 5-Jähriger sehr gern eine Puppe haben wollte. Bekommen habe ich Boxhandschuhe. Pädagogisch wahrscheinlich sehr wertvoll, aber nicht ganz das, was ich mir erträumt hatte. Doch abends, als ich unter die Bettdecke kroch, lag da plötzlich doch eine Puppe. Meine Oma hatte sich heimlich darum gekümmert – mit maßgeschneidertem Matrosenanzug. Die Haare eindeutig Mädchen, aber der Anzug eindeutig Junge.

„Am Matrosenanzug hatten sich ganze Armeen von Motten und Mäusen zu schaffen gemacht, aber für mich war es trotzdem eine kleine Erinnerung an ein aufregendes Weihnachtsfest.“

Ein Kompromiss, wie ihn wohl nur Großmütter hinbekommen. Neulich, bei der Renovierung des alten Elternhauses, habe ich diese Puppe wiedergefunden. Am Matrosenanzug hatten sich ganze Armeen von Motten und Mäusen zu schaffen gemacht, aber für mich war es trotzdem eine kleine Erinnerung an ein aufregendes Weihnachtsfest.

Bei Opa – unserem Vater – gab es übrigens jedes Jahr gleich zwei Überraschungen unterm großen Weihnachtsbaum. Erstens das Geschenk, das er von meiner Mutter bekam. Und zweitens das Geschenk, das er ihr machte – denn dieses sah er zeitgleich mit ihr zum ersten Mal unterm Weihnachtsbaum. 2 Stunden vor der Bescherung ging er jedes Jahr gemütlich über die Straße zum örtlichen Schmuck- und Uhrenhändler, zahlte das, was Oma sich schon Wochen vorher ausgesucht hatte und trug das kleine festliche Päckchen als „sein Geschenk“ stolz und freudig nach Hause.

Und wenn Oma es dann öffnete, beobachteten wir immer ganz gespannt Opas Gesicht – völlig ahnungslos war er, was er ihr wohl geschenkt hatte. Kein Stress, keine Panik – und die Ehe hielt trotzdem über die diamantene Hochzeit hinaus.


Zur Person:

  • Antonius Schröer führt mehrere Modehäuser. Er verkörpert das Vechtaer Original „Straßenfeger“ im Karneval.
  • Der Kontakt zum Autor ist möglich unter der E-Mail-Adresse redaktion@om-medien.de.

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