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OM-Zukunftsmacherin: Margret Meyer hat immer ein offenes Ohr

Am 19. Juni wird in Emstek die vierte OM-Zukunftsmacherin gekürt. Starke Frauen sind die ehrenamtlichen Helferinnen des Frauenhauses in Vechta – wie Margret Meyer.

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Engagiert: Margret Meyer ist nicht nur ehrenamtlich beim Frauenhaus tätig, sondern auch im Verein Arbeitskreis Indienhilfe Bakum. Foto: Petrovic

Engagiert: Margret Meyer ist nicht nur ehrenamtlich beim Frauenhaus tätig, sondern auch im Verein Arbeitskreis Indienhilfe Bakum. Foto: Petrovic

Margret Meyer steht im Pfarrheim in Bakum, wie an jedem Montagabend – und das seit 14 Jahren. „Der Chor ist mein Leben“, sagt die Rentnerin, ihre Augen leuchten dabei offen und warm. Mitten in der Probe der Lobpreisschola klingelt das Notruftelefon des Frauenhauses Vechta. „Dann hab ich mein Handy geschnappt und bin rausgelaufen, um das Gespräch entgegenzunehmen“, erzählt Margret. Nach einer Stunde war das Gespräch beendet – und die Probe vorbei. „Aber egal“, sagt sie. Denn für sie steht fest: Frauen müssen sich unterstützen und schützen, und manchmal braucht es dafür einfach nur ein offenes Ohr.

Seit 3,5 Jahren engagiert sich Margret Meyer in der telefonischen Rufbereitschaft des Frauenhauses Vechta. Die Bakumerin ist eine von 15 Frauen, die das Notruftelefon jeden Abend und an den Wochenenden von 18 bis 9 Uhr besetzen. Manchmal, erzählt die 70-Jährige, rufen an einem Abend bis zu drei Frauen an – manchmal bleibt das Telefon still. Ihre Arbeit ist ein fester Bestandteil des Hilfesystems für Frauen im Oldenburger Münsterland, die von Gewalt betroffen sind. Allein im Jahr 2023 sind über 175.000 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt geworden, wie das Bundeslagebild Häusliche Gewalt vergangenen Juli zeigte. Die Zahl steigt, die Dunkelziffer sei hoch.


Alle Informationen zur Zukunftsmacherin finden Sie auf unserer Themenseite


„Wenn man in so einer Situation ist, braucht man dann einfach jemanden, der Verständnis hat. Wo man spürt, der hört hin und – na ja – vielleicht auch versteht, wie der andere sich fühlt“, sagt Margret Meyer. Sie meint damit Situationen, in denen der Partner gewalttätig wird oder die Frau massiv bedroht. Alkohol spiele dabei auch oft eine große Rolle, wie sie sagt. Obwohl Margret anfangs unsicher war, ob sie dieser Verantwortung gewachsen ist, war ihr von Beginn an wichtig: von Frau zu Frau ein offenes Ohr zu schenken.

Haben ein offenes Ohr: Maria Neemann (links) und Margret Meyer arbeiten ehrenamtlich im Frauenhaus Vechta. Foto: PetrovicHaben ein offenes Ohr: Maria Neemann (links) und Margret Meyer arbeiten ehrenamtlich im Frauenhaus Vechta. Foto: Petrovic

Margret Meyer ist in einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen. Harmonisch, und ihre Kindheit sei schön gewesen, sagt sie. Nach der Schule arbeitete sie zunächst in der Verwaltung eines Krankenhauses. Rückblickend „eine der schönsten Zeiten in meinem Leben“. Rund 20 Jahre später lernte sie ihren mittlerweile verstorbenen Mann kennen, wurde Mutter und unterstützte ihn im Büro. Nach seinem Tod absolvierte sie eine Ausbildung zur Pflegehelferin und arbeitete in einer Reha-Klinik. Mittlerweile lebt sie im Kotten. „Ich lebe in einem Paradies“, sagt sie und betont die Dankbarkeit. Und genau diese sei auch der Grund für ihr Engagement: „Es ist unfair, dass so viele Menschen nicht das Nötigste haben.“

Aus diesem Gedanken heraus engagiert sie sich seit 10 Jahren beim Verein Arbeitskreis Indienhilfe Bakum. Später war es eine Mitsängerin aus ihrem geliebten Lobpreisschola-Chor, die sie auf die ehrenamtliche Arbeit im Frauenhaus aufmerksam machte. „Ich bin Rentnerin und möchte etwas zurückgeben“, sagt Meyer. Mit sich selbst und ihrem vielleicht nicht immer gerade verlaufenen Weg, ist sie im Reinen. Umso mehr achtet sie darauf, dass ihre Hilfe wirklich ankommt – leise, empathisch und mit Respekt vor der Verantwortung. Ohne sich dabei in den Vordergrund zu stellen. „Die erste Frau war nur eine Beratung. Man ist sehr aufgeregt, das Richtige zu sagen. Ich habe mehr zugehört. Ich habe erzählen lassen“, erinnert sie sich an ihren ersten Anruf.

Wählt eine Frau die 04441/83838, hört Margret Meyer zunächst zu. Manchmal dauere das Gespräch nur ein paar Minuten, manchmal deutlich länger. Wenn die Anruferin ins Frauenhaus möchte und dort ein Platz frei ist, verabredet Meyer mit ihr einen öffentlichen Treffpunkt. Von dort begleitet sie die Frau ins Haus und zeigt ihr die Einrichtung. Dabei betont sie immer wieder, wie wichtig es ist, dass dieser Schritt freiwillig geschieht. „Oft rufen auch Polizei, Freunde oder Verwandte an“, sagt Meyer.

Frauenhaus Vechta verfügt über fünf Plätze

Ist gerade keiner der fünf Plätze im Frauenhaus frei, verweist Meyer die Anruferinnen an andere Stellen, bei mehr Beratungsbedarf an die ambulante Beratung des SkF. Frauen, die nicht oder noch nicht in das Frauenhaus gehen möchten, haben die Möglichkeit der ambulanten Beratung beim SkF, um über ihre Situation zu sprechen und Hilfe zu erfahren. Allein der Anruf kann für viele ein erster Schritt aus der Gewalt sein und um sich einfühlsam die Sorgen und Ängste nehmen zu lassen. „Danach sind einige schon etwas beruhigter“, sagt Margret Meyer.

Auch Maria Neemann, Leiterin des Frauenhauses Vechta, betont die Bedeutung dieser ersten Gespräche, in denen sie über ihre Gewalterfahrungen reden und Perspektiven für sich entwickeln können. Seit vielen Jahren leitet sie die Schutzeinrichtung für Frauen und deren Kinder. „Es ist nicht einfach zu sagen: Ich packe meine Koffer und gehe“, sagt Maria Neemann. Ein großes Problem sei, dass viele Frauen erst spät wirklich begreifen, was ihnen geschieht – und ihren Kindern.

„Es beginnt oft mit psychischer Gewalt. Dann kommen Versöhnungsmomente, der Partner findet Ausreden oder spricht von Stress auf der Arbeit. Die Gewaltspirale wird immer kürzer“, erklärt die gelernte Sozialarbeiterin. Viele Frauen würden lange zögern: weil sie ihre Kinder nicht vom Vater trennen wollen, die gemeinsame Zukunft nicht gefährden wollen oder auch Angst vor der Reaktion der Nachbarschaft haben. Unsicherheiten würden dabei ebenso eine Rolle spielen, wie Neemann erklärt.

Daher ist den ehrenamtlichen Helferinnen des Frauenhauses in Vechta bewusst: „Wenn ich an die Frauen und Kinder denke, denen Gewalt angetan wird, zeigt es mir immer wieder, wie wertvoll und wichtig diese Arbeit ist“, sagt Leiterin Maria Neemann. Auch Margret Meyer blickt auf ihre nächste Schicht in der Rufbereitschaft – in der stillen Hoffnung, dass die Notfallnummer hoffentlich nicht gebraucht wird.


Hintergrund:

  • Die OM-Medien zeichnen 2025 zum vierten Mal eine Entscheiderin aus dem Oldenburger Münsterland, die in besonderer Weise die gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt, mit dem Award „OM-Zukunftsmacherin“ aus.
  • In der Berichterstattung vorab stellen wir in diesem Jahr vor allem Frauen vor, die sich auch ehrenamtlich engagieren.
  • Unterstützt wird das Projekt OM-Zukunftsmacherin von den Firmen Südbeck, Grimme, Bergmann, Wernsing, Zerhusen und der LzO.
  • Gekürt wird die Preisträgerin von einer Jury. Ihr gehören Silvia Breher (Parlamentarische Staatssekretärin und CDU-Bundestagsabgeordnete, Lindern), Christine Grimme (Grimme Gruppe, Damme), Dr. Jutta Middendorf-Bergmann (Ludwig Bergmann GmbH, Goldenstedt) und Annette Vetter (Leiterin Bereich Personal, Landessparkasse zu Oldenburg) an. Für OM-Medien ist die stellvertretende Chefredakteurin Anke Hibbeler dabei.
  • Die Auszeichnung findet am 19. Juni (Donnerstag) im OM-Medienhaus in Emstek statt. 2022 vergab die Jury den Award an Sarah Dhem aus Lastrup; 2023 an Marion Schouten aus Cloppenburg; 2024 an Stephanie Barlage aus Dinklage.
  • Alles zur Vorgeschichte, zur Jury und zu Vernetzungsmöglichkeiten finden Sie hier.

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