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OM-Zukunftsmacherin 2025: Sie eröffnet „Kjells Wunderland“ für andere schwerkranke Kinder

Am 19. Juni wird in Emstek die vierte OM-Zukunftsmacherin gekürt. Mehr als 120 Frauen werden dabei sein. Eine der starken Frauen im OM ist Michelle Gerdes-Lampe.

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Bleibt stark: Michelle Gerdes-Lampe, die Gründerin von „Kjells Wunderland“. Foto: Petrovic

Bleibt stark: Michelle Gerdes-Lampe, die Gründerin von „Kjells Wunderland“. Foto: Petrovic

Michelle Gerdes-Lampe sitzt in ihrem Esszimmer. Die freche Katze namens Rocket springt auf sie und will mit ihrem blonden Haar spielen. „Rocket war aus dem Lieblingsfilm von Kjell“, sagt die 40-Jährige. Aus dem Wohnzimmer bellt Mailo, der Familienhund. Vor einem Jahr sollte er eigentlich eingeschläfert werden, doch durch Rocket ist er wieder „quietschlebendig“.

Mika, ihr 13-jähriger Sohn, kommt durch die Küche und holt sich lässig einen Snack aus dem Kühlschrank. Heute hat er keine Schule. Michelle Gerdes-Lampe schaut auf ihr Handy. Eine Nachricht von einer Mutter: „Heute fragte mich mein Kind: „Waren wir wirklich in Kjells Wunderland, oder war das alles nur ein Traum?“ Danke“.

Wunderland: So sieht es in dem Haus aus. Fotos: Petrovic

Michelle Gerdes Lampe liest die Nachricht, lächelt – warm, fast stolz. Seit Mai 2025 ist Kjells Wunderland geöffnet, ein Ort der Erholung für Familien mit schwerkranken Kindern. Dann wird sie still. Der Schmerz ist ihr nicht anzusehen, aber er ist da – spürbar, leise, beständig.

Sohn Kjell erkrankt an Hirntumor

Michelle Gerdes-Lampe ist in Cloppenburg aufgewachsen, ihre familiären Wurzeln reichen bis nach Südafrika. Ihre Mutter ist dort groß geworden, viele Angehörige leben heute noch auf dem afrikanischen Kontinent. Schon früh wusste Michelle Gerdes-Lampe, dass sie Soziale Arbeit studieren möchte. In Vechta beginnt sie ihr Studium, später arbeitet sie mit viel Herzblut in der Wohnungslosenhilfe in Freistatt. Als der befristete Vertrag auslief, wechselte sie zur Caritas. Kurz darauf wird sie schwanger mit Mika.

Nur 15 Monate nach der Geburt ihres ersten Kindes kommt Kjell zur Welt. Mit zwei kleinen Kindern möchte sie gern zurück in die Wohnungslosenhilfe. Ihr Mann unterstützt sie dabei, doch der Alltag lässt das nicht zu. Dann wird Kjell plötzlich schwer krank. Es ist Oktober 2021. Ihr Sohn Kjell erkrankt an einem Hirntumor. „Ja, jeder hofft auf das Wunder“, sagt die 40-Jährige.


Alle Informationen zur Zukunftsmacherin finden Sie auf unserer Themenseite


Doch wirklich zu begreifen, wie ernst es ist, fällt schwer – bis zu dem Moment, in dem die Hoffnung für einen Augenblick wankt. Sie erinnert sich an eine dieser Situationen. Kjell war mitten in der Bestrahlung, es ging ihm schlecht, sehr schlecht. Dann nahm die Ärztin die Mutter zur Seite: „Schauen Sie, dass Sie Ihre Familie aus Südafrika informieren – falls die Kjell noch einmal sehen möchten.“

Während Gerdes-Lampe davon spricht, hält sie kurz inne, ein Moment der Stille. Eine Millisekunde, wo die Hoffnung damals ausblieb. Doch am nächsten Tag war Kjell wieder „hellerbest“, sodass sie an diesem Tag noch entlassen wurden. Es war der Hochzeitstag mit ihrem Mann.

Mutter gründet Verein Kjells Wunderland und hilft anderen

Was folgt, sind 11 Monate Ausnahmezustand. Michelle funktioniert, Tag für Tag. Für Kjell, für die Familie. Raum für sich selbst, für ihren Ehemann oder für Freunde bleibt kaum. Alles konzentriert sich auf Kjell und auf Erinnerungen, die noch bleiben.

Seit dem Tod ihres Sohnes engagiert sich Michelle Gerdes-Lampe für Familien mit schwerkranken Kindern. Gemeinsam mit ihrem Mann und sechs Mitstreitern gründete sie den Verein Kjells Wunderland. Ihr Ziel: Die Ungerechtigkeiten, die das Leben manchmal mit sich bringt, wenigstens ein kleines Stück erträglicher zu machen.

Sie begleitet Betroffene, hilft bei Anträgen, hört zu – und schafft damit genau das, was sie sich damals selbst gewünscht hätte. Die Arbeit gibt ihr das Gefühl, für Kjell weiter da zu sein, auch wenn er nicht mehr lebt. Mit ihrer Arbeit unterstützen sie andere Familien und geben ihnen Kraft.

Inzwischen, sagt sie, kann sie Berufliches von Privatem trennen. Doch auch das musste sie lernen, ein zweites Handy nur für die Vereinstätigkeit holen. „Privat sieht das anders aus“, sagt sie leise und macht trotzdem weiter. Halt findet sie bei ihrer Familie, den Haustieren – und im Friedwald. Dorthin geht sie oft, um durchzuatmen.

Idee für Wunderland wird Wirklichkeit

Einige Monate nach Kjells Tod sitzt Michelle Gerdes-Lampe mit den Gründungsmitgliedern ihres Vereins an einem Tisch, gegenüber ein potenzieller Kooperationspartner. Es geht um palliative Betreuungsteams, die sie für den Cloppenburger Raum aufbauen wollen. „Was wünscht ihr euch noch?“, fragte der Kooperationspartner. Michelle Gerdes-Lampe muss nicht lange überlegen. „Ein Wunderland“, sagt sie sofort. „Nein, kein Kinderhospiz – ein Wunderland.“

In ihrem Kopf: ein barrierefreies Haus für Familien mit schwerkranken Kindern. Kostenlos, mit einem Garten, einem kleinen Pool, fußläufig zur Stadt. Ein „Quatschwunsch“. Ein paar Monate später klingelt das Telefon. „Ich habe euer Wunderland gefunden“, sagt der Kooperationspartner. Ein älteres Ehepaar möchte ihr Haus stiften und zieht dafür in eine kleinere Wohnung. Seit Mai 2025 ist das Wunderland nun Wirklichkeit geworden. Ein Erholungsort, an dem Familien mit schwerkranken Kindern für ein paar Tage einfach nur Familie sein dürfen. Bis November sind sie bereits ausgebucht. Ein stolzer Erfolgsmoment für Michelle Gerdes-Lampe.

Michelle Gerdes-Lampe will nicht aufgeben

Für Ihre Zukunft sehnt sich die Cloppenburgerin nach Ruhe. Die Trauer mal bei Seite legen zu können. „Ich würde gern sagen: Ich habe jetzt eine Woche Urlaub und beschäftige mich jetzt nicht mit der Trauer. Das geht aber ja nicht, weil: meine Trauer kommt immer mit“, sagte sie. Und dann kommt der kleine Moment ohne Maske: auf der Achterbahn. Vielleicht geht es eines Tages mit einem Wohnmobil auf Weltreise, die Polarsterne sehen. Vielleicht kommt irgendwann der medizinische Durchbruch und das Wundermittel.

Doch jetzt versucht Michelle Gerdes-Lampe, nicht aufzugeben und andere zu unterstützen. Eine Powerfrau, die sich nicht aufgibt und die Welt ein Stück besser machen will.


Hintergrund:

  • Die OM-Medien zeichnen 2025 zum vierten Mal eine Entscheiderin aus dem Oldenburger Münsterland, die in besonderer Weise die gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt, mit dem Award. „OM-Zukunftsmacherin“ aus.
  • In der Berichterstattung vorab stellen wir in diesem Jahr vor allem Frauen vor, die sich auch ehrenamtlich engagieren.
  • Unterstützt wird das Projekt OM-Zukunftsmacherin von den Firmen Südbeck, Grimme, Bergmann, Wernsing, Zerhusen und der LzO.
  • Gekürt wird die Preisträgerin von einer Jury. Ihr gehören Silvia Breher (Parlamentarische Staatssekretärin und CDU-Bundestagsabgeordnete, Lindern), Christine Grimme (Grimme Gruppe, Damme), Dr. Jutta Middendorf-Bergmann (Ludwig Bergmann GmbH, Goldenstedt) und Annette Vetter (Leiterin Bereich Personal, Landessparkasse zu Oldenburg) an. Für OM-Medien ist die stellvertretende Chefredakteurin Anke Hibbeler dabei.
  • Die Auszeichnung findet am 19. Juni (Donnerstag) im OM-Medienhaus in Emstek statt. 2022 vergab die Jury den Award an Sarah Dhem aus Lastrup; 2023 an Marion Schouten aus Cloppenburg; 2024 an Stephanie Barlage aus Dinklage.
  • Alles zur Vorgeschichte, zur Jury und zu Vernetzungsmöglichkeiten finden Sie hier.

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