Frauen mit Migrationsgeschichte Sichtbarkeit verschaffen – dieses Ziel motiviert Dr. Araththy Logeswaran bei ihrer täglichen Arbeit. Die Bakumerin ist Rassismusforscherin, die sich insbesondere mit den Diskriminierungserfahrungen von Frauen of Colour auseinandersetzt.
Die 32-Jährige hat ein eigenes Theoriemodell entwickelt, das die Diskriminierungserfahrungen von Frauen of Colour und ihren Umgang damit beschreibt. „Schützende Bewältigung“ ist der Name für diese Theorie, die belegen soll, dass Menschen – in diesem Fall Frauen of Colour – keine handlungsunfähigen Opfer sind, sondern vielmehr bewusst auf verschiedene Formen der Diskriminierung reagieren. „Menschen of Colour halten sich bei Diskriminierung oft bewusst zurück“, sagt Logeswaran zu ihren Forschungsergebnissen. Bisherige Diskriminierungserfahrungen sowie die Bewertung der akuten Situation lassen die Betroffenen eine Strategie abwägen, die stets ein Ziel hat: sich selbst oder andere zu schützen.
Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, führte sie im Rahmen ihrer Dissertation Interviews mit verschiedenen Frauen of Colour. Wieso eigentlich speziell Frauen? Zum einen, weil Frauen of Colour nochmal anders von Diskriminierung betroffen seien, sagt Logeswaran, und zum anderen, „weil ich auch eine Frau bin“, sagt sie und lacht.
Als Fachkraft of Colour wurde sie für weniger kompetent gehalten
„Der Gender-Aspekt hat mich schon immer interessiert“, sagt die Bakumerin. Frauen of Colour werden überdies anders behandelt als weiße Frauen. Das weiß die 32-Jährige, deren Eltern aus Sri Lanka kommen, aus eigener Erfahrung. Ihr würden andere Fragen gestellt, sie werde exotisiert, sagt sie. Ihre Erfahrungen als Sozialarbeiterin bei der Gemeinde Bakum haben schließlich dazu geführt, dass die 32-Jährige sich heute in der Forschung betätigt. Neben einer halben Stelle bei der Universität Osnabrück als wissenschaftliche Mitarbeiterin – sie habilitiert derzeit –, hat sie auch noch einen Lehrauftrag an der Hochschule Osnabrück.
Nach ihrem Bachelor-Abschluss – sie studierte Soziale Arbeit in Holzminden – arbeitete sie im Bereich Flucht und Asyl als Sozialarbeiterin in ihrer Heimatgemeinde und stellte fest: „Ich werde als Fachkraft of Colour anders wahrgenommen“, sagt sie. Oftmals sei sie gar nicht für die Fachkraft, sondern für das Klientel gehalten worden. Sie habe sich mehr beweisen müssen, während weiße Kolleginnen und Kollegen als kompetenter wahrgenommen wurden. Dies sei nicht nur ihre persönliche Erfahrung gewesen, sondern decke sich auch mit Ergebnissen aus der Forschung, sagt Logeswaran.
Modell hilft Betroffenen, ihre Erfahrungen einzuordnen
Unter anderem diese Erfahrung führte dazu, dass sie sich näher damit befassen wollte. Deshalb nahm Logeswaran das Studium wieder auf und machte ihren Masterabschluss an der Hochschule Osnabrück. Daraufhin wechselte sie an die Universität Osnabrück und promovierte zum antimuslimischen Rassismus. Ihre Dissertation „Schützende Bewältigung – Eine Grounded Theory zu Diskriminierungserfahrungen von Fachkräften in der Sozialen Arbeit“ ist frei im Internet verfügbar und für alle einsehbar. Wieso? „Ich wollte nicht für die Schublade schreiben“, sagt Logeswaran. Und tatsächlich: mehr als 26.000 Mal ist ihr Werk laut Logeswaran bereits heruntergeladen worden.
Mit ihrer Forschung möchte sie anderen Diskriminierungsbetroffenen helfen, ihre Erfahrungen einzuordnen. Seitdem sie sich wissenschaftlich damit befasse, könne sie auch ihre eigenen Erfahrungen besser bewerten und vor allem als das benennen, was sie sind. Ihr Aufwachsen in Bakum – ihre Familie sei die erste of Colour im Ort gewesen – etwa bezeichnet sie als „eher schwierig“. „Man wächst hier auf und denkt, man ist wie die anderen. Bis man darauf hingewiesen wird, dass man es nicht ist.“ Die negativen Erfahrungen, die sie machte, habe sie lange nicht einordnen und nur schwierig verarbeiten können. „Bestimmte Erfahrungen werden etwa als Einzelfall abgetan“, sagt Logeswaran. Vielen sei außerdem nicht klar, dass die Intention bei Rassismus irrelevant sei. Oft werde bei rassistischen Fragen oder Äußerungen Interesse vorgeschoben – dieses lege lediglich einen Schleier über den Rassismus. Logeswaren ist es wichtig, dass darüber offen gesprochen wird.
„Meine Arbeit ist so wichtig und ich möchte sie weitergeben.“
Dr. Araththy Logeswaran
Deshalb nutzt sie das von ihr entwickelte Theoriemodell auch bei ihrer Arbeit bei der Swans-Initiative, wo sie eine halbe Stelle innehat. Die Berliner Initiative unterstützt Akademikerinnen und Studentinnen mit Einwanderungsgeschichte. Das Ziel: Das Empowerment dieser Frauen, in dem sie etwa zu den Themen Beruf und Karriere beraten werden. Nach Angaben von Logeswaran ist es die einzige Initiative bundesweit, die diese Zielgruppe anspricht. Mittlerweile gebe es mehr als 1000 Frauen in dem Netzwerk.
Nach den Swans-Seminaren, in denen sie ihr Modell „Schützende Bewältigung“ den Teilnehmerinnen, die bereits Erfahrung mit Mehrfachdiskriminierung haben, näherbringt, stellt sie immer wieder Erleichterung fest, erzählt Logeswaran. Die Frauen könnten jetzt benennen, was ihnen widerfährt, werde ihr gespiegelt. Das mache sie durchaus stolz. „Meine Arbeit ist so wichtig und ich möchte sie weitergeben“, sagt Dr. Araththy Logeswaran.
Deshalb habe sie sich auch auf das Empowerment von Frauen mit Migrationsgeschichte fokussiert. Sie schätze den Austausch mit klugen Frauen. Früher habe sie die Aufklärungsarbeit noch bewegt, sagt Logeswaran, doch das lasse sie mittlerweile sein. Eine Welt ohne Rassismus hält sie ohnehin für eine Utopie, die sie nicht erleben wird. Ihr über die Jahre angeeignetes Wissen möchte sie viel lieber den Frauen zur Verfügung stellen, die die gleichen Erfahrungen wie sie gemacht haben. Denn: „Frauen of Colour haben keine Wahl. Sie müssen sich mit Rassismus täglich auseinandersetzen.“ Weiße Menschen können sich dazu entscheiden, ob sie sich damit beschäftigen möchten.
Doch nicht nur beruflich beschäftigt sich Dr. Araththy Logeswaran mit Rassismus, sondern darüber hinaus auch in ihrer Freizeit. So engagiert sie sich in der Bakumer Flüchtlingshilfe und begleitet Familien sowie ist Mitglied bei der Partnerschaft für Demokratie Vechta. Seit Ende des vergangenen Jahres habe man verstärkt die Förderung von Frauen of Colour auf der Agenda, sagt die Bakumerin. Nach dem gemeinsam mit Amira Hasso organisierten Ladies Dinner im Februar findet am 11. Juni eine Vortragsveranstaltung unter dem Titel „Because I am a Woman“ mit der ehemaligen Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International, Selmin Çalışkan, statt.
Hintergrund
- Die OM-Medien zeichnen 2024 zum dritten Mal eine Entscheiderin aus dem Oldenburger Münsterland, die in besonderer Weise die gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt, mit dem Award „OM-Zukunftsmacherin“ aus.
- Unterstützt wird das Projekt OM-Zukunftsmacherin dabei von den Firmen Südbeck, Pöppelmann, Grimme, Bergmann, Wernsing, Zerhusen und der LzO.
- Gekürt wird die Preisträgerin von einer Jury. Ihr gehören Silvia Breher (CDU-Bundestagsabgeordnete, Lindern), Christine Grimme (Grimme Gruppe, Damme), Tanja Sprehe (Bereichsleiterin Marketing & Innovation, Pöppelmann, Lohne), Dr. Jutta Middendorf-Bergmann (Ludwig Bergmann GmbH, Goldenstedt) und Annette Vetter (Leiterin Bereich Personal, Landessparkasse zu Oldenburg) an. Für OM-Medien ist die stellvertretende Chefredakteurin Anke Hibbeler dabei.
- Die Auszeichnung findet am 23. Mai im OM-Medienhaus in Emstek statt. 2022 vergab unsere Jury den Award an Sarah Dhem aus Lastrup; 2023 an Marion Schouten aus Cloppenburg.
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