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Nonnen an Bord schwänzten Äquatortaufe

Die jungen Ordensfrauen brachen in Länder auf, die noch nie ein Südoldenburger gesehen hatte. Ihre Geschichten bereitet das Kulturanthropologische Institut des Oldenburger Münsterlandes jetzt auf.

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Abschied von der Heimat: Nonne bei der Abfahrt in Südoldenburg. Foto: Kulturanthropologisches Institut OM

Abschied von der Heimat: Nonne bei der Abfahrt in Südoldenburg. Foto: Kulturanthropologisches Institut OM

Mit 18 verließen sie ihr Elternhaus, um nie wieder zurückzukehren. Mit Anfang 20 wagten sich die jungen Ordensfrauen „im Auftrag des Herrn“ nach Brasilien und Südafrika. „Alles für den lieben Gott“, sagt Prof. Dr. Christine Aka. Die Geschichte(n) von rund 400 katholischen Missionarinnen, die zwischen 1880 und 1970 ihre Heimat verließen, bereitet die Leiterin des Kulturanthropologischen Instituts des Oldenburger Münsterlandes jetzt für ein Buch und eine Wanderausstellung auf.

Einige der noch lebenden Zeitzeuginnen hat Aka bereits in einsamen Klöstern besucht: „Könnt Se ok Plattdütsch?“, fragte eine betagte Ordensschwester, die ihren Dienst als Pfarrsekretärin in Barßel beendet hat, schon an der Tür. Aka kann. Die Gespräche mit den Nonnen und ihren Angehörigen sind überfällig, denn: „Über den Klerus finden wir in jeder Chronk etwas“, sagt die Geschichtswissenschaftlerin aus Visbek. Über die Nonnen, die beseelt auszogen, Gottes Wort den „Heiden“ tätig nahezubringen, findet sich wenig. Obwohl die Frauen mit ihren Erzählungen, ihren Briefen und Fotos das Bild der Südoldenburger von fremden Ländern und Kulturen prägten.Etwa 80 von ihnen landeten über die Jahre in Brasilien, etwa 70 in Südafrika.

Prof. Dr. Christine Aka. Foto: KrekeProf. Dr. Christine Aka. Foto: Kreke

Der große „Rest“ verteilte sich über alle Kontinente – eine persönliche und kulturelle Herausforderung für die jungen Missionarinnen und ihr Gottvertrauen. Bei aller Weltoffenheit stießen die Ordensfrauen schon an Bord der Passagierschiffe an erste sittliche Grenzen. Die übliche Äquatortaufe, mit Fischabfällen und Tauchbottich, schwänzten die Nonnen in der Regel, denn: „Da hätten sie einen Badeanzug anziehen müssen“, schmunzelt Aka.

Katholische Stiftung unterstützt Forschung mit 200.000 Euro

40 Interviews mit Zeitzeuginnen und deren Verwandten hat sich die Kulturanthropologin der Universität Vechta vorgenommen, damit die Quellenlage zuverlässig ist. Den Forschungsaufwand unterstützt jetzt eine katholische Stiftung mit 200.000 Euro. „Diese Finanzspritze hat uns richtig geholfen“, sagt Aka. Mit dem Budget sind eine Buchveröffentlichung und eine grenzüberschreitende Wanderausstellung geplant. Denn viele Ordensschwestern aus Südoldenburg lebten in holländischen Klöstern, etwa der Steyler Mission.

Die junge Kulturanthropologin Inga Dickerhoff wird in den nächsten zwei Jahren diese Dokumentation als Volontärin unterstützen. Damit wächst das Team des Instituts, das im historischen „Kassenhaus“ des Museumsdorfes untergebracht ist, auf vier Wissenschaftler(innen), die alle an Veröffentlichungen aus der Region und für die Region mitarbeiten.

„Forschung in Südoldenburg lohnt sich“, unterstreicht die Professorin für Volkskunde. Und sie ist keineswegs „altbacken“. So sammelt die Kulturanthropologin Maleika Winzheim seit einem halben Jahr alles, was sich über die Gebräuche und Feierrituale von jungen Leuten finden lässt: „Flaschenkränze“, die zum 25. Geburtstag „abgetrunken“ werden, „Mehlduschen“ zum 16. Geburtstag – die Forscher nehmen solche weltlichen Rituale ernst. „Die sind wichtig für die Region“, betont Aka, „Weil es eben nicht nur ums Trinken, sondern um den sozialen Kitt geht.“ Die Feiern festigen Freundschaften, die über Jahrzehnte den Zusammenhalt in Südoldenburg ausmachen. Winzheim hat dazu bisher 15 Interviews geführt und eine ganze Kollektion von Schildern gehortet, die Nachbarn und Freunde zu solchen Anlässen in Vorgärten stellen.

Derweil erforscht der vierte Wissenschaftler des Instituts die persönliche Lage in der Landwirtschaft. Dr. Thomas Schürmann erfagt in Interviews, wie der harte Strukturwandel die Bauern und ihr Selbstverständnis trifft.

Inga Dickerhoff. Foto: KrekeInga Dickerhoff. Foto: Kreke

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