Das Nachrichtenportal vonMünsterländische Tageszeitung MT undOldenburgische Volkszeitung OV

Nicht alle ärztlichen Leistungen sind umsatz-, beziehungsweise gewerbesteuerfrei

Eine Befreiung gilt nur für medizinisch heilende Behandlungen. Der gewerbliche Anteil sollte besser mit dem Steuerberater abgestimmt werden.

Artikel teilen:
Experte für Steuerrecht: Das Fachgebiet von Sven Wolf sind Ärzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe. Foto: Treuhand

Experte für Steuerrecht: Das Fachgebiet von Sven Wolf sind Ärzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe. Foto: Treuhand

Im Gesundheitswesen herrscht aktuell viel Bewegung. Das macht sich auch in der typischen Arztpraxis bemerkbar. Einen Nachfolger zu finden, wird immer schwerer, auf dem Land sind sie bereits Mangelware. Gleichzeitig boomen in den Städten die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Moderne Räume bieten zudem viele Möglichkeiten für neue Angebote – auch abseits der Heilkunde. 

Mit der Vielfalt der Aufgaben steigen allerdings auch die steuerlichen Risiken, weiß Sven Wolf. Er ist Steuerberater bei der Treuhand Weser-Ems und der dortige Ansprechpartner, wenn es um Heilberufe geht. Ins Zentrum der Problematik rückt er hierbei die Sonderstellung des Arztberufs als Freiberufler und die daraus resultierenden steuerlichen Besonderheiten.

Steuerliche Befreiungen gelten ausschließlich bei Leistungen, die der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit dienen – darunter Behandlung, Diagnose und Prophylaxe. So weit, so bekannt. Doch die heutige Praxislandschaft erfordert es, sich diese Tatsache erneut ins Gedächtnis zu rufen.

Viele Praxen sind inzwischen nicht nur ausschließlich Anlaufstelle für medizinisch heilende Behandlungen. Moderne Ausstattung und ein breiteres Aufgabenfeld ermöglichen ein großes Spektrum an individuellen Gesundheitsleistungen (IgeL-Leistungen) oder solche, die gleich in die nicht ärztliche bzw. gewerbliche Kerbe schlagen.

Patienten lassen sich beim Zahnarzt die Zähne aufhellen oder der Hausarzt entfernt ein lästiges Muttermal. Parallel dazu vertreibt dieser Nahrungsergänzungsmittel oder Arznei für die Hausapotheke und beim Augenarzt gibt es nach der Untersuchung gleich die passenden Kontaktlinsen mit dazu. „Werden abweichende Tätigkeiten ausgeführt, kommt es sehr stark auf die Abgrenzung der Tätigkeit an sowie auf die Einhaltung etwaiger Grenzen“, erklärt Wolf. 

Umsatzsteuer

Tätigkeiten, die nicht zu den Heilbehandlungen zählen, unterliegen grundsätzlich zunächst keiner Steuerbefreiung. Somit sind entsprechende Umsatzsteuerbeträge an das Finanzamt abzuführen. Da dies, insbesondere bei Feststellung im Rahmen einer Prüfung, rückwirkend geschieht, besteht ein entsprechend hohes finanzielles Risiko. 

Als Hilfe kann die Regelung des Kleinunternehmers herangezogen werden. Bei entsprechender Anwendung wird die Umsatzsteuer somit nicht erhoben. Voraussetzung: Der Umsatz im laufenden Jahr – aus diesen Tätigkeiten – darf die Grenze von 100.000 Euro und im Vorjahr von 25.000 Euro nicht überschreiten. Wolf empfiehlt daher, die Bereiche separat zu verbuchen.

Ertragsteuer/Gewerbesteuer

Gewerblichen Einkünfte können eine von zwei Benchmarks überschreiten. Da wäre zum einen der absolute Umsatz von 24.500 Euro im Jahr und zum anderen der relative Anteil der gewerblichen Einkünfte am Gesamtumsatz – das wäre ein Anteil von 3 Prozent der Erlöse. Erfolgt hier keine Trennung, kann es zu einer „Abfärbung/Infektion“ kommen, warnt Wolf. Bedeutet, dass auch die gesamten freiberuflichen Einkünfte des Betriebs bei Überschreitung einer der Benchmarks gewerbesteuerpflichtig werden. 

Wichtig sei es daher, beide Grenzen gleichermaßen im Blick zu behalten. Denn bei einer klassischen Einzelpraxis mit 500.000 Euro Jahresumsatz sinkt diese Grenze schnell auf 15.000 Euro jährlich. Auch hier kann eine getrennte Buchung bereits helfen, um zum einen die Grenzen zu überwachen und zum anderen die Trennung der Bereiche festzuhalten.

Gerade für Ärzte im ländlichen Bereich ist ein genauer Überblick über die erbrachten Leistungen wichtig. Denn hier sei das Arzt-Patienten-Verhältnis viel persönlicher. Insbesondere der Hausarzt werde häufig als „der Arzt“ wahrgenommen, der alles kann, konkretisiert Wolf. Hinzu kommt, dass Fachärzte häufig weiter weg angesiedelt sind. So erhoffen sich Patienten bei ihm gerne ein „rundum sorglos-Paket“. Dieses kann tendenziell aber auch zu Tätigkeiten führen, die sonst in anderen Bereichen angesiedelt wären. Wichtig wird hierbei wieder die Abgrenzung: Die Entfernung eines Muttermals kann sowohl ein schönheitschirurgischer Eingriff als auch eine Behandlung oder Risikovorbeugung im Rahmen der Krebsvorsorge sein.

„Die Gratwanderung ist schwer“, gibt Wolf zu. Es ist auch einer der Gründe, warum viele Einzelpraxen schließen und MVZ boomen. Hier ist der Bürokratieaufwand samt Risiken ausgelagert oder auf mehrere Schultern verteilt. Umso entscheidender, dass Arzt und Steuerberater eng und verlässlich zusammenarbeiten. Denn die Abgrenzung kann nur vom Mandanten selbst vorgenommen werden. Für den Steuerberater sind die aufgeführten Tätigkeiten weder ersichtlich noch zu beurteilen. Wenn das jedoch gelingt, brauche man sich keine Sorgen um etwaige Fallstricke machen, beruhigt Wolf. 

Jetzt OM-Plus für 0,99€ im ersten Monat testen. Erfahren Sie alles Relevante aus beiden Landkreisen im OM. Auf dem Desktop, mobil und in der News-App! Hier geht es entlang.

Hier klicken und om-online zum Start-Bildschirm hinzufügen

Nicht alle ärztlichen Leistungen sind umsatz-, beziehungsweise gewerbesteuerfrei - OM online