Mitten in der Saison befinden sich die Brieftaubenzüchter der Reisevereinigung Cloppenburg. Mit Bernd Michael Lüske aus Emstek begleitet OM online einen von ihnen durch das Jahr.
Jede Taube wird vor dem Flug elektronisch registriert, um später die exakten Flugzeiten zu ermitteln. Foto: Thomas Vorwerk
Erster Konkurs – da ist man in der Regel nicht stolz drauf. Wenn aber ein Brieftaubenzüchter vom ersten Konkurs spricht, dann hat er ein erfolgreiches Flugwochenende hinter sich. Die schnellste Taube aus der Reisevereinigung stammt aus seinem Schlag.
Reisevereinigung (RV) nennt sich der Zusammenschluss mehrerer Brieftaubenzuchtvereine, die gemeinsam Preisflüge organisieren. Am Wochenende war der 8. Flug der Saison an der Reihe. Auflassen heißt der Start. So nennen es die Züchter, wenn die Jalousien am Lastwagen geöffnet werden und mehrere tausend Tauben gleichzeitig losfliegen. In diesem Fall ist Bad Kreuznach das Ziel des Kabinenexpresses.
Jede Taube hat einen Transponder am Fuß
Einpacken und losfahren – so einfach ist es nicht. Einsetzen heißt das in der Fachsprache. In Höltinghausen hat die Reisevereinigung Cloppenburg ihre Anlaufstelle und an jedem Flugwochenende bringen die Züchter ihre Reisetauben dorthin. Jede Taube hat einen Transponder am Fuß, der in ein Computersystem eingelesen wird. Wenn die Tiere zurückkehren, laufen sie am Schlag über eine Antenne, die die genaue Ankunftszeit registriert.
Bernd Michael Lüske ist einer der Züchter und vor Wochen prächtig in die Saison gestartet. "Um die Meisterschaft werde ich dieses Jahr aber nicht mehr mitkämpfen", bilanziert er nach etwas mehr als der Hälfte von 13 Flügen. Ein Jahr lang begleitet OM online den Emsteker.
Wettervorhersage ist an diesem Tag top
421 Tauben sind in Höltinghausen angemeldet. Da mehrere Reisevereinigungen sich für den Transport zusammenschließen, starten am nächsten Morgen rund 2500 Tiere in Bad Kreuznach. "Um 7 Uhr werden wir auflassen", sagt Auflassleiter Wolfgang Brinker. Es wird sogar noch 20 Minuten früher. Mit Rückenwind aus Südwest werden die Besten von ihnen nach dreieinhalb Stunden im Landkreis Cloppenburg ankommen und 338 Kilometer hinter sich haben.
Die Vorhersage an diesem Tag ist top. Das Wetter spielt grundsätzlich eine große Rolle. "Wir arbeiten mit einem Wetterdienst zusammen, den wir ab 5 Uhr morgens kontaktieren können", so Brinker. Wenn die Lage nicht so eindeutig ist, werden Auflassleiter entlang der Strecke angerufen. Das kann auch dazu führen, dass die Distanz verkürzt wird. Vor zwei Wochen waren die Bedingungen nicht optimal. Statt in Bad Kreuznach aufzulassen, ist der Lkw zurück bis nach Hamm gefahren.
Auflasszeit richtet sich auch nach dem "Flugverkehr"
Die Uhrzeit richtet sich aber auch danach, was für ein Flugverkehr zu erwarten ist. Viele Reisevereinigungen sind am Wochenende unterwegs. Nicht nur aus Deutschland, auch aus den Niederlanden, Tschechien, Polen und weiteren Ländern. Wenn sich die Schwärme begegnen, kann das dazu führen, dass sich die Tauben erst einmal anschließen und dann eine ganz falsche Richtung einschlagen.
Der Moment der Wahrheit: Auflassleiter Wolfgang Brinker liest die Erfassungsgeräte der einzelnen Züchter aus. Foto: Bernd Michael Lüske
Im ungünstigsten Fall landet eine Taube dann beispielsweise in Eindhoven. So geschehen beim letzten Jungtierflug im vergangenen Jahr. Lüske bekam die Information, dass eines seiner Tiere dort bei einem Züchter gelandet ist. Über die Telefonnummer am Ring konnte er den Emsteker kontaktieren und Bernd Michael Lüske hat sich mit dem Auto auf den Weg in die Niederlande gemacht.
Tauben werden im Lkw mit Wasser versorgt
Der Lastwagen ist nicht nur mit der passenden Mechanik ausgerüstet, um sie gleichzeitig starten zu lassen. Die Boxen sind so angeordnet, dass ein Mittelgang bleibt und die Fahrer bei den Pausen nach den Tieren sehen können. Dabei werden sie auch mit frischem Wasser versorgt.
Morgens geht die E-Mail an die Züchter, ob und zu welcher Uhrzeit der Startschuss gefallen ist. Das Erfassungsgerät wird angeschlossen und das Warten beginnt. 10.31 Uhr landet die schnellste Taube im Schlag von Lüske. Da war bei Wolfgang Brinker schon längst Vollzug gemeldet. 17 Minuten früher hat es der Sieger der RV an diesem Wochenende nach Hause geschafft – der erste Konkurs. Sein Schlag steht allerdings in Langförden, ein paar Kilometer weniger für die Tauben.
Am Abend steht der Sieger fest
Deshalb werden die Werte auch in Meter pro Minute ausgegeben, um eine Vergleichbarkeit aller Tauben zu sichern. 1500,46 Meter pro Minute (90 Kilometer pro Stunde) war es beim Sieger aus dem Brinker-Schlag und auch die 3 weiteren Schnellsten kommen von ihm. Bei Lüske ist der Sieger 1441,40 Meter pro Minute geflogen. Platz 8.
In Echtzeit erfolgt die Übertragung noch nicht. Erst am Abend, wenn alle Züchter die Erfassungsgeräte nach Höltinghausen gebracht haben, gibt es die Auswertung. Allerdings sind unterdessen schon zahlreiche Telefongespräche untereinander geführt worden und man kann in etwa die Leistung des Tages einschätzen.
Viele Faktoren spielen für den Erfolg eine Rolle
Weibchen und Männchen sowie die einjährigen Tauben haben jeweils eigene Meisterschaften. Für die RV-Meisterschaft zählen hingegen unabhängig von Geschlecht und Alter die 4 Schnellsten aus einem Schlag. Bernd Michael Lüske liegt aktuell auf Rang 5. Ein Ergebnis, mit dem er nicht zufrieden ist. Woran es liegt?
Viele Faktoren spielen für eine erfolgreiche Saison eine Rolle. Das beginnt bereits beim Training mit den Jungtieren. Im Januar sind die ersten geschlüpft und nach 4 bis 5 Wochen machen sie ihre ersten Flugversuche. Bisher haben sie ihre Runden nur um den heimischen Schlag gedreht, doch in dieser Woche soll es das 1. Mal auf Distanz gehen.
Heimkehrwille ist entscheidend
Von einem Langstreckenflug kann allerdings nicht die Rede sein. Die Jungtauben werden in Transportboxen gesetzt und zum Festplatz am Schulzentrum gefahren. Wenn sie dort starten, können sie den Landeplatz bereits sehen. In erste Linie geht es darum, dass sie sich an die Abläufe gewöhnen und die Nervosität verlieren.
Eine gute Taube braucht aber mehr als nur Training. Sie muss kerngesund sein, weshalb der Tierarzt regelmäßig Gast beim Züchter ist. Die Qualität muss grundsätzlich stimmen und Orientierungsvermögen spielt ebenfalls eine Rolle und der Wille, heimzukehren.
Jungtiere starten Mitte August in die Saison
Am 24. Juli ist die Saison zu Ende. Weil am Rhein ist Auflassort und mit 600 Kilometern Entfernung auch die längste Distanz aller 13 Flüge. Für den Züchter ist das Jahr damit aber noch nicht abgeschlossen. Die Jungtiere gehen am 15. August an den Start. 6 Preisflüge stehen im Kalender und am 19. September - 376 Kilometer ab Kaiserslautern - stehen auch beim Nachwuchs die Meister fest.
Platzierungen
Nach 8 Flügen führt Manfred Penning aus Varrelbusch die Tabelle der RV Cloppenburg an
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