Im Rahmen einer der alltäglichen kleineren Radtouren schwang ich mich unlängst auf mein jahrzehntealtes Herrenrad der Marke „Union“, um die Dinklager Innenstadt zu durchqueren. Diesem Textauftakt werden Sie unschwer entnommen haben, dass es sich um ein manuell betriebenes Fahrrad ohne jeglichen Hilfsmotor handelt und um eine Person, deren Lebensalter bereits vorangeschritten ist. Nur so lässt sich die nun folgende Begebenheit auch richtig einordnen.
Ich bewegte mich samt Rad in einem den Umständen angemessenen Tempo auf eine Straßenkreuzung zu, um sie in gerader Richtung zu überqueren. Da nach sorgfältiger Umherschau weder von links noch von rechts eine Gefahr drohte, setzte ich zur Weiterfahrt an, als von hinten ein „Schatten“ an mir vorbeisauste, scharf nach rechts lenkte und dann nach wenigen Metern in die nächste Seitenstraße abbog.
Derart aufgeschreckt, entglitt mir ein halblautes „Ohhhh…“. Der vorbeirauschende „Schatten“ rief mir ein schnelles „Umgucken!!!“ zu. Ich identifizierte den Verkehrskombattanten als Frau mittleren Alters, die sich auf einem offenbar nagelneuen, hochgerüsteten E-Bike voranbewegte.
Alles ordnungsgemäß, inklusive Fahrradhelm und weiterem Equipment. Mir blieb angesichts der Schnelligkeit des gesamten Vorgangs nur übrig, mich innerlich zu sammeln und dem dafür zuständigen Schutzengel zu danken, dass nichts Schlimmeres passiert war.
„Rücksichtnahme ist ein rares Gut geworden, eine so zarte Pflanze, dass sie unter Schutz gestellt gehört.“
Nun werden Sie denken, was für eine Banalität! So etwas passiert sicherlich doch in immer wieder abgewandelter Form einhundertmal am Tag an jeder x-beliebigen Straßenkreuzung. Und wir Radfahrer – ich schließe auch die Fußgänger mit ein – sind nur deshalb noch nicht ausgerottet, weil Schutzengel in genügender Anzahl zur Verfügung stehen. Was regt der gute Mann sich auf!
Er regt sich auf, weil irgendjemand es auch mal ansprechen muss. Rücksichtnahme ist ein rares Gut geworden, eine so zarte Pflanze, dass sie unter Schutz gestellt gehört. Ein Dankeschön all‘ denen, die sich darum bemühen. Die anhalten, selbst dann, wenn sie doch eigentlich Vorfahrt gehabt hätten. Die zupacken, wenn Not am Mann, an der Frau ist, weil gerade kein „offizieller“ Helfer bereitsteht. Die aufheben, was andere sorglos als Müll auf Straßen und Plätze werfen, weil sie zu gedankenlos und faul sind, ihre Restbestände im 2 Meter entfernten Müllbehälter zu entsorgen.
Alles banal, alles tausendmal gesagt, Ihr Einwand. Völlig richtig. Wie es auch richtig ist, es immer wieder anzusprechen. Es jeder neuen Generation, die heranwächst, einzuimpfen wie ein Serum, das ein Leben lang vor Ansteckungen und Fehltritten bewahren soll. Natürlich ist auch dann kein Mensch perfekt. Man findet sich in Situationen wieder, in denen die innere Stimme oder die beste Ehefrau von allen sagt: „Das hättest du auch anders, auch besser lösen können!“.
Gut, dann sagt man Entschuldigung. Steigt aufs Rad und fährt erleichtert weiter.
Zur Person:
- Der Journalist Andreas Kathe lebt in Dinklage. Lange Jahre war er Redakteur und Redaktionsleiter der OV.