Laut, sichtbar, stolz – so bunt war der CSD in Cloppenburg
400 Menschen demonstrierten friedlich in der Innenstadt. Die Veranstaltung lief ohne Zwischenfälle ab – dennoch stehe die Community noch vor großen Herausforderungen (Bildergalerie & Videos).
Vielfalt zeigen: Das funktioniert nicht nur in großen Städten, sondern auch in Cloppenburg. Fotos: Frerich
Regenbogenflaggen wehen über die Straßen Cloppenburgs. Bunt gekleidete Menschen ziehen fröhlich in einer Kolonne durch die Innenstadt. Der Klang von Trommeln hallt durch die Gassen. Rund 400 Demonstranten versammelten sich an diesem Samstag zum „kleinen“ Christopher-Street-Day (CSD), wie es der Verein CSD-Cloppenburg auf seiner Internetseite beschreibt.
Seit 2013 organisiert der Verein CSD Cloppenburg Veranstaltungen im Landkreis Cloppenburg und der umliegenden Region. Ziel der Veranstalter ist es, Vielfalt und Akzeptanz für Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten im regionalen Miteinander zu fördern.
Fotos: Frerich
„Wir wollen mit dem CSD ein Stück weit Selbstverständlichkeit in den Alltag bringen“, erklärt Bürgermeister Neidhard Varnhorn in seiner Ansprache. „Wer glaubt, wir hätten doch eigentlich schon alles erreicht, dass die Gleichstellung geklärt sei und dass sich heute wirklich niemand mehr vor seinem Outing fürchten müsse, der möge bitte einen Tag lang mit einem schwulen Teenager in der Schule tauschen“, mahnte der Bürgermeister. „Erst dann wird klar, warum Demos wie diese weiterhin notwendig sind“, fügte er hinzu.
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Diese Sorgen sind nicht unbegründet. In letzter Zeit berichteten mehrere Medien über Übergriffe, Störaktionen und Gewalttaten im Zusammenhang mit CSD-Veranstaltungen. In Cloppenburg jedoch gestaltete sich die Situation anders: Es gab keine Gewalt, kein Gegröle vom Straßenrand oder ähnliche Vorfälle. Lediglich ein Herr beschwerte sich über die „schlechte Musik“, die „zu kurzen Röcke“ und das „tuntige Auftreten“ der Teilnehmenden.
Von diesen negativen Kommentaren bekam von den Demonstranten jedoch kaum jemand etwas mit. Sie zogen durch die Gassen der Stadt, im Gepäck die Liebe zu sich selbst und den Wunsch, sich nach außen hin zu zeigen.
Stehen für Akzeptanz und mehr Liebe ein: Ann-Kathrin Brobert (links) und Lisa Pleye (rechts).
Auch Lisa Pleye aus Cloppenburg, Mitglied der CSD-Community, nahm gemeinsam mit ihrer besten Freundin Ann-Kathrin Brobert am Zug teil. „Die Herausforderung ist, Akzeptanz und Toleranz zu gewinnen und dass es von der Gesellschaft nicht als aggressiv wahrgenommen wird“, betonte Pleye. Und um eines der wichtigsten Dinge auf dieser Welt, so fügte sie hinzu: „Dass die Leute halt checken, dass es hier um Liebe geht.“
Seine Identität und Liebe nach außen zeigen – das möchte in ihren jungen Jahren auch Maia Ostermann. Die 13-Jährige hat selbst einen LGBTQI+-Hintergrund und hatte im Vorfeld ein wenig Angst, dass auf der Demo etwas Schlimmes passieren könnte. Trotz aller Bedenken war sie dann aber doch positiv gestimmt: „Das wird schon“, dachte sie sich und fasste gemeinsam mit ihrer Großmutter Waltraud Arnke den Mut, am Umzug teilzunehmen.
Gemeinsam stark: Maia Ostermann (links) und ihre Großmutter Waltraud Arnke (rechts).
Der CSD zog nicht nur Menschen an, die ihre Identität präsentieren wollten – er war auch eine Plattform für andere Communitys. Der 24-jährige Nico besuchte die Veranstaltung in einem, wie man sagen könnte, gruseligen Kostüm mit Totenkopf-Maske. Nicht so erschreckend war jedoch sein „Free-Hugs“-Schild, das er um den Hals trug, sowie der kleine Teddybär, der aus seiner Brusttasche lugte. Sein Ansporn, am CSD teilzunehmen? „Ich hatte einfach Bock drauf“, sagte Nico.
Zudem wollte er damit Zugehörigkeit zur Community zeigen: „Es gibt Menschen, die fühlen sich als jemand anderes wohler, als sie selbst“, fügte er hinzu. Der 24-Jährige ist Mitglied im „Queer-Treff Cloppenburg“ und hat in den vergangenen Jahren des Öfteren Übergriffe auf Demonstranten im Stadtpark erlebt. „Die Polizeipräsenz muss Thema sein“, findet er.
Zeigt sich im Kostüm: Nico (rechts) und seine Begleitung Nina.
Auf Anfrage bestätigte Bürgermeister Varnhorn, dass – auch aufgrund solcher Zwischenfälle – ein grundlegendes Sicherheitskonzept für die Veranstaltung entwickelt wurde. „Eine Polizeistreife zieht durch die Stadt, die teilweise auch zivil unterwegs ist“, versichert er.
Der CSD zog auch Stefan Christ von der Grünen-Fraktion Niedersachsen in die Kreisstadt, der sich in einem Statement klar und deutlich zur aktuellen Lage äußerte: „Unsere Rechte werden nicht verschenkt, sie müssen erkämpft werden“, machte der Landtagsabgeordnete deutlich.
Sichtlich zufrieden mit dem Ablauf der Veranstaltung zeigte sich auch Nino Rudolph, ein Vorstandsmitglied des CSD-Cloppenburg-Vereins. „Inzwischen haben sich viele Gruppen in Cloppenburg formiert, die zur Teilnahme an der Veranstaltung mobilisieren“, erklärte er. Dazu zählt unter anderem der Verein „Queerer Treff“, der mit einer engagierten Gruppe aus Cloppenburg und Friesoythe anwesend war.
Trotz dieser positiven Entwicklung hatte der Vorsitzende in diesem Jahr auch Bedenken hinsichtlich des Verlaufs des CSD, insbesondere im Hinblick auf Amokfahrten auf Weihnachtsmärkten. „Aus diesem Grund haben wir die Zufahrt zum Bernays-Platz vollständig absperren lassen“, so Rudolph weiter. Abschließend zur immer lauter werdenden Kritik an CSDs sagte Rudolph: „Wir dürfen Absagen von CSD-Veranstaltungen nicht akzeptieren. Wichtig ist, dass wir uns laut, sichtbar und stolz präsentieren.“ Und das hat in Cloppenburg in diesem Jahr auch funktioniert.
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