Kannst du noch?
Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Der Stoppelmarkt war nie nur ein Fest in Vechta. Er war – und ist – ein Lebensgefühl im ganzen Nordwesten.
Antonius Schröer | 14.08.2025
Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Der Stoppelmarkt war nie nur ein Fest in Vechta. Er war – und ist – ein Lebensgefühl im ganzen Nordwesten.
Antonius Schröer | 14.08.2025
Die Berichterstattung rund um den Stoppelmarkt 2025 wird Ihnen präsentiert von der Volksbank Vechta. Freitagmorgen, Stoppelmarktwoche, Emstek. Jahrelang war es immer ein fester Ablauf: Ich kam – meistens noch mit leicht belegter Stimme und müden Augen vom donnerstäglichen Festauftakt – von Vechta nach Emstek gefahren und am Mittagstisch warteten sie schon: Oma und Opa mit neugierig fragenden Blicken: „Kannst du denn schon wieder“? Natürlich konnte ich. Meistens. Irgendwie. Schließlich war Stoppelmarkt – und gerade erst der erste Tag. Auch wenn sie selbst nicht mehr mittendrin waren auf der Westerheide, Opa wollte immer alles ganz genau wissen: „Wecke Lüe ut Emstek wörn dor? Häss du einen von us draopen? Häbbt dei nao mi fraogt?“ Der Stoppelmarkt war nie nur ein Fest in Vechta. Er war – und ist – ein Lebensgefühl im ganzen Nordwesten. Auch 18 Kilometer entfernt in Emstek war er immer präsent. Spürbar. Fühlbar in den verrückten Geschichten, den Traditionen, den Erwartungen. In all den Jahren, in all den Generationen. Ich erinnere mich noch, wie mein Vater einmal am Montag nach Hause kam und sagte: „Ich habe fast ein Pony gekauft.“ Fast! Ich war als kleines Kind vollkommen hin und weg. Ein Pony! Hätte er doch! „Kannst du morgen nicht nochmal hinfahren?“, flehten wir ihn an. Und so war der Stoppelmarkt immer da, in Kindheit, Jugend, Elternschaft. Erst wurde ich selbst im Sonntagszeug über den Platz geführt, später lief mir der Angstschweiß in der „Wilden Maus“, weil meine Kinder das so wollten. Und als sie größer wurden, reichte immer schon der Griff ins Portemonnaie und die Frage: „Wann treffen wir uns wo wieder“? Und die Storys reißen auch jetzt nie ab. Wie vor 2 Jahren, als einer meiner Jungs in den frühen Morgenstunden nach Hause kam und meinte: „Papa, ich habe Ärger mit der Polizei“. Ein Kumpel und er hatten sich nachts auf dem Heimweg ins Schwimmbad geschlichen. Über den hohen Zaun – wie so viele vor ihnen, früher in unkontrollierten Zeiten – und rein ins Wasser. Leider auch rein in den Alarm. Security, Polizei – und dann stand die Polizistin vor ihnen, mit Taschenlampe in der Hand. Brief von der Polizei folgte. „Natürlich konnte ich. Meistens. Irgendwie. Schließlich war Stoppelmarkt“ Und meine Senioren? Die kamen in den letzten Jahren zwar nicht mehr täglich auf den Markt, aber der Sonntag blieb noch lange Pflichtprogramm, auch mit Stock. Erst der Gottesdienst, dann der CDU-Empfang „mit Häppchen und Handschlag“ und schließlich ein Kotelett bei Jansen. Und obwohl sie schon nicht mehr alles mitmachen konnten, beim Rausgehen und der letzten Tüte gebrannter Mandeln war da immer noch dieses Leuchten in den Augen. Dieses Jahr ist alles anders. Heute fahre ich wieder nach Emstek. Doch niemand fragt mich mehr: „Kannst du noch“? Niemand will wissen, wer aus Emstek auf dem Stoppelmarkt war. Oma, Opa, Tante – sie sind nicht mehr da. Und diese Momente, dieser Freitagmorgen, dieser Samstagmorgen, der Sonntag mit Gottesdienst und erst der Dienstag, wo ich jedes Wort der Stoppelmarktrede wiedergeben muss, die fehlen. Und ich jetzt mit 64, gibt es da ein neues Kapitel, vielleicht der Seniorenempfang am Freitag? Ach nee – Opa wull dor nie hen. Dor sünd nur olle Lüe. Obwohl, einen Stoppelhopser und zwei Bier gibt’s da auch. Ich glaube, meine Emsteker im Himmel schauen heute zu, sehen unser Treiben und fragen sich immer noch: „Kunn hei noch?“ Natürlich kann ich noch! Auf den Stoppelmarkt! Auf die Erinnerungen. Und auf alles, was noch kommt.Zur Person:
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