Kanadier legen Stadt in Schutt und Asche
Am 14. April 1945 steckten kanadische Soldaten Friesoythe in Brand. In der Innenstadt blieb kein Stein auf dem anderen.
Heiner Stix | 15.04.2020
Am 14. April 1945 steckten kanadische Soldaten Friesoythe in Brand. In der Innenstadt blieb kein Stein auf dem anderen.
Heiner Stix | 15.04.2020

Zerstört: In der Innenstadt steht nach den Bränden kein Stein mehr auf dem anderen. © Library and Archives Canada, PA167216
Als die Friesoyther Bürger, die vom 10. April 1945 an aus der Stadt evakuiert worden waren, nach dem 15. April langsam zurückkehrten, bot sich ihnen ein Bild der Zerstörung. Schon bei der Bombardierung und bei den Kämpfen um die Stadt hatten Straßen und Häuser nicht unbeträchtliche Schäden davongetragen. Nach dem Befehl von Generalmajor Chris Vockes, die Stadt als Vergeltung für den Tod von Oberstleutnant Frederick E. Wigle auszuradieren, legten die kanadischen Soldaten Friesoythe dann in Schutt und Asche. Das genaue Ausmaß der Zerstörung lässt sich nicht in exakte Zahlen fassen. 1947 meldete die Stadtverwaltung an den Landkreis, dass von 381 Häusern 231 vollständig und 30 stark beschädigt worden waren. Andere Quellen sprechen von 397 zerstörten und 79 beschädigten Wohnungen oder davon, dass von 355 Wohnhäusern über 300 total zerstört worden seien. Auch kanadische Quellen lassen erkennen, dass die Zerstörung Friesoythes ein außergewöhnliches Ausmaß hatte. Im Kriegstagebuch des Regiments, zu dem die in Friesoythe kämpfenden Soldaten gehört hatten, heißt es: „Die wütenden Highlanders säuberten die Überreste jener Stadt, so wie keine Stadt – ich wage es zu sagen – seit Jahrhunderten gesäubert worden war.“ Und der offizielle Historiker der kanadischen Armee, der zufällig am 15. April nach Friesoythe kam, spricht davon, dass es schmerzhaft sei zu sehen, „wie Repressionen außer Kontrolle geraten können“. Er sei froh, dass er nur dieses eine Mal von so einem Vorfall gehört habe. Den Schutt der zerstörten Gebäude nutzten die kanadischen Truppen, um die Straßen in Richtung Küstenkanal zu reparieren. Die seien, so steht es in der Biografie eines kanadischen Offiziers, in schlechtem Zustand gewesen und hätten die schweren Fahrzeuge, insbesondere die Panzer, nicht aushalten können. Fotos aus dem kanadischen Staatsarchiv zeigen zudem mit Schutt beladene Laster sowie Raupenfahrzeuge, die Steine zusammenschieben. Die Geschichtslehrer Stefan Kühling und Peter Stelter, die gemeinsam mit Projektkursen der Heinrich-von-Oythe-Schule und des Albertus-Magnus-Gymnasiums zu Einzelschicksalen jener Zeit forschen, wissen zudem von Zeitzeugen, die auf Befehl der Kanadier Schutt zum Verfüllen von Bombenkratern auf Lkw laden mussten. „Und da ging es den Kanadiern sicher nicht darum, hinter sich aufzuräumen“, stellt Stelter klar. Bei der Instandsetzung der Straßen seien sicherlich auch Steine des Stadttores zum Einsatz gekommen, sagt Stelter. Das Friesoyther Symbol war vermutlich erst nach den Bränden zerstört worden. Warum, so Stelter, sei allerdings unklar. „Vielleicht stand es einfach im Weg und hat die Straße für die Truppen zu schmal gemacht, vielleicht war es einsturzgefährdet, vielleicht hatte man auch Angst, dass sich dort Partisanen einnisten und die Truppen von oben beschießen.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass die Zerstörung des Stadttores ein symbolischer Akt gewesen sei, betont Stelter. „Ich glaube, dass die Kanadier ganz pragmatisch gedacht und mit dem Stadttor einfach einen möglichen Gefahrenpunkt beseitigt haben.“
Gut und kompakt informiert zum Feierabend: Abonnieren Sie jetzt kostenlos unseren neuen WhatsApp-Kanal und erhalten den Newsletter „N'Abend, Oldenburger Münsterland“. Und nicht vergessen, die Benachrichtigungen auf dem Glocken-Symbol zu aktivieren! Hier geht es direkt zum WhatsApp-Kanal.