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Ist Schwerin schöner als Hamburg?

Meine Woche: Auf der Bildungsreise nach Meck-Pomm erleben 18 Altherren-Fußballer 3 tolle Tage. Sie sehen Nacktbader, hübsche Damen, grausamen HSV-Fußball und haben Glücksgefühle auf einer Bootstour.

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Waren Sie schon einmal in Schwerin? Nicht? Dann merken Sie sich diese Worte: „Euch erwartet ein Marktplatz der Freude“, stimmt uns einer der beiden Reiseleiter euphorisch auf die Tour in die Hauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns ein. Mit 18 Fußballern machen wir uns auf die Reise. Und wir merken direkt, dass wir uns auf einer Altherren-Tour befinden. Denn die Doppelkopf-Ergebnisse werden auf einem Zettel der „Fachklinik Bad Bentheim – Reha, Kur und Gesundheitsurlaub“ eingetragen. Man sieht uns das Alter also nicht nur an. Es rückt auch schwarz auf weiß immer näher.

Überraschend schnell erreichen wir dann Schwerin. Auch wenn der Unternehmer-Mogul aus dem Bockhorster Moor „am liebsten das ganze Wochenende Bus fahren“ würde. Gemütlich sitzen, Bier trinken, Karten kloppen – für den Neu-Rentner gibt es nichts Schöneres. Schön ist es aber auch in Schwerin. In unserem Hotel dürfen wir die Kisten Gerstensaft ausdrücklich auf dem Zimmer lagern. So viel Entgegenkommen erlebten wir zuletzt auf unserer Abireise nach Lloret de Mar.

Unterhopfte Fußballer sind aber nicht überall erwünscht. Aus der ersten Gaststätte werden wir direkt herauskomplimentiert, damit die einzigen vier weiteren Gäste in Ruhe essen können. Tja. Dann eben kein Trinkgeld. Danach geht es stimmungsmäßig aber nur noch bergauf. Die Schweriner Altstadt punktet mit ihrer Architektur und ist ein wahrer Hingucker. Die Menschen sind freundlich, es ist alles super-sauber. Wir sehen in der Unistadt allerdings überraschend wenig junge Frauen. Der Blick auf das politische Schwerin verschafft dann Klarheit: Bei dieser Mehrheitspartei in der Stadtvertretung würden wir auch auswandern.

Die Nacht in den Kneipen und einem Live-Musik-Club erleben einige torkelnd, andere schlafend. Bei der Stadtführung am zweiten Tag sind bis auf den Präsidenten aber alle an Bord. Wir lernen weitere hübsche Ecken in dem von Wasser und Grün dominierten Schwerin kennen. Was die Gästeführerin zu der Aussage „Schwerin ist so schön wie Hamburg“ verleitet – und die HSV-Fans völlig empört.

„In der Fußball-Kneipe sind Grüne und Rote nicht erwünscht. Unser sozialdemokratisches Kreistagsmitglied erträgt es mit Fassung. Als Finanzpolitiker ist er Kummer gewohnt.“

Den Fans der Rothosen zuliebe, die auf jeder Mannschaftsfahrt die Mehrheit stellen, verbringen wir den Samstagmittag in einer Fußball-Kneipe. Dort wird auf Aufklebern deutlich gemacht, wer nicht erwünscht ist: Grüne und Rote. Unser sozialdemokratisches Kreistagsmitglied erträgt es mit Fassung. Als Finanzpolitiker ist er mit Blick auf den Schuldenberg im Landkreis Vechta Kummer gewohnt.

Auf Sky wird dann tatsächlich nur das HSV-Spiel gezeigt. „Der HSV ist der geilste Club der Welt“, skandiert der Alterspräsident in einer Tour. Haben Sie schon mal 90 Minuten lang Hamburger Zweitliga-Fußball geguckt? Puh. Das ist 90 Minuten Hardcore.

Echte Gefühle gibt's dann wieder am und auf dem Schweriner See. Der Alterspräsident nutzt den Ausflug zum Nacktbaden. Was aber weder Teamkollegen noch die Schweriner Prominenz wirklich erregt. Warm ums Herz wird uns allen dann auf der Bootstour. Gemeinsam feiern wir die besten Hits der 80er Jahre ab. Und unser durch seine Stoppelmarkt-Auftritte gestählte Brit Boy liefert mal wieder eine beeindruckende Gesangsperformance ab.

Aus dem Nichts explodiert dann nicht das Boot, dafür unser Sauerländer. Völlig euphorisiert. Weil seine graue Maus, pardon, weil seine Elf vom Niederrhein in einem belanglosen Bundesliga-Spiel in der 90. Minute den Siegtreffer erzielt. So laut hatte er zuletzt gejubelt, als sein Sohn den TVD in die Landesliga gehämmert hatte. Der wurde wie sein jüngerer Bruder übrigens dazu verdonnert, auch Gladbach-Fan zu werden, wie der Papa mit einem schelmischen Grinsen erzählt. „Sonst hätte ich das Taschengeld gekürzt.“ 

Eine Fußball-Tour ist natürlich auch immer eine Bildungsreise. Wir schmunzeln über die Promi-News, dass sich ein ehemaliger DFB-Kapitän in eine hübsche Dinklagerin verguckt hat. Erraten beim Kneipenquiz gekonnt 8 der 10 Interpreten, die weltweit am meisten Lieder verkauft haben. Fragen uns, ob Silvia Breher Bundesministerin kann. Und einigen uns als selbsternannte Filmfreaks darauf: Very Bad Things ist besser als Hangover, Pulp Fiction schlechter als Reservoir Dogs und das Ende von Bang Boom Bang ist, Kult hin oder her, ziemlich unrund. 

Kulturbanausen vor dem Weltkulturerbe: die Altherren-Fußballer des TV Dinklage. Foto: TVDKulturbanausen vor dem Weltkulturerbe: die Altherren-Fußballer des TV Dinklage. Foto: TVD

Beeindruckt sind wir an Tag drei vom Schloss, das auch für uns Kulturbanausen zu Recht zum Weltkulturerbe ernannt wurde. Dann verlassen wir auch schon wieder Schwerin. Auf der Rückreise verzockt ein Ü60-Vertreter zwar noch Haus und Hof, weil er trotz zweier hübscher Damen von seinen Mitspielern im Stich gelassen wurde. Aber auch für ihn war unsere Tour vor allem eins: ein Marktplatz der Freude.


Zur Person

  • Frederik Böckmann (41) ist Reporter bei den OM-Medien und lebt mit seiner Familie in Dinklage.
  • In seiner Freizeit grätscht er für die Altherren- und Altliga-Fußballer des TV Dinklage.
  • Den Autor erreichen Sie per E-Mail an redaktion@om-medien.de.

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