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Ist der Weg auch noch so steil ...

Kolumne: Wer hoch hinaus will, kann tief fallen. Keiner weiß das besser als ich, sobald die Dachbodenluke aufgeht.

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Wenn ich dieser Tage abends in den Federn liege und mich zum Einschlafen noch vom Teleshopping-Sender berieseln lasse, lässt es sich nicht mehr leugnen: Es weihnachtet sehr. Wie ich nun weiß, liegen dieses Jahr Naturtöne, wie Beige und Braun, im Trend – hier besonders die Farbe „Mocha Mousse“, ein behagliches Schokobraun.

Bedeutet: Der Papa musste am Wochenende erstmal auf den Dachboden kraxeln, um in Erfahrung zu bringen, wie es um die Weihnachtsdeko-Bestände bestellt ist. Diese im Keller zu lagern, wäre ja auch zu einfach gedacht. Nein, nein, wer’s zum „Adventsfest der 100.000 Lichter“ schön haben will, muss leiden.

Nun bin ich weniger mit Höhe, als vielmehr mit Tiefe noch nicht so recht gut Freund geworden. Vor Jahren konnte ich in der Nachbarschaft Dachdecker beobachten, wie sie mit vollbeladenen Armen freihändig (in Worten: freihändig!) eine Leiter hoch auf die Garage gestiegen sind. Ein ähnlich wahnsinniger Geist muss es gewesen sein, der seinerzeit die ausziehbare Dachbodenlukenleiter (Sie können den Duden im Schrank stehen lassen) erfunden hat …

„Also: Abstieg. Und der beginnt für mich mit der unwürdigsten Szene des Wochenendes.“

Der Hinweg ist noch vergleichsweise harmlos zu dokumentieren. Zwar frage ich mich beim Knarzen des Holzes im zweiten Drittel, ob mir und den Stiegen irgendwann das eine Wiener Schnitzel zu viel zum Verhängnis werden könnte, konzentriere mich jedoch tagesaktuell mit Priorität darauf, mir im oberen Bereich keine Splitter in die Griffel zu jagen.

Auf dem Dachboden angekommen, weicht mein breitschultriger Reinhold-Messner-Triumph schnell der samstagnachmittäglichen Realität, die mich von Stirn bis Nase in einem Spinnengewebe willkommen heißt. Auf meine „Reaktion“ hin ruft von unten jemand: „Da oben müssen wir mal wieder alles bis in die Ecken saugen.“ Freunde, ich trag’ den Miele-Bock hier nicht zum Gipfelkreuz hoch!

Schnell wird klar: Wir haben noch rote Kugeln, violette, champagnerfarbene – plus Omas und Opas silbernen Baumschmuck, bei dem diese Vögel noch eine Art Pinsel als Steert trugen.

Also: Abstieg. Und der beginnt für mich mit der unwürdigsten Szene des Wochenendes. Da ich kaum die steile Leiter runterschauen mag, gehe ich schon oben auf alle Viere, um mich dann rückwärts krabbelnderweise der Luke zu nähern. Klar ist: Wenn ich heute Abend das Bundesliga-Topspiel sehen will, muss ich über diese Kante kommen. Mit dem linken Fuß stochere ich in der Luft herum, bis mein Filzpantoffel endlich auf hölzernes Land stößt. Während beide Füße bereits den Weg nach unten beschreiten, folge ich hüftaufwärts, mit platten Händen auf Beton. Auf halber Höhe bin ich guter Dinge, was das abendliche Topspiel angeht, klammere mich dennoch an die Leiter, wie Wolfgang Joop sich an die ewige Jugend.

Im Tal angekommen, wird noch fix (hör mir auf, du!) mit dem Handstock die Luke wieder dichtgemacht, bevor feststeht: Ich muss die Tage los, um Mocha-Mousse-Kugeln zu kaufen. Aber gleich ist erstmal Bundesliga angesagt – vielleicht mit ’nem Wiener Schnitzel. Den Sauger trägt ja jemand anderes hoch.


Zur Person:

  • Heiko Bosse ist Mitglied der Chefredaktion der OM-Medien
  • Den Autor erreichen Sie per Mail an: redaktion@om-medien.de

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