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Invasive Neophyten steh’n am Wegesrand

Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Überall im OM sind invasive Pflanzenarten zu finden. Im Garten, im Moor und selbst bin ich auch so eine „invasive Art“.

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Um diesen furchtbar kalten Mai erträglicher zu machen, ging es kürzlich an den heimischen Garten. Der musste dringend mal gemacht werden, wuchert seit Jahrzehnten vor sich hin und ist inzwischen so grün, dass Spaniens Blüten blüh’n.

Zuvor befasste ich mich in staatsbürgerlichem Gehorsam mit den 13 Kirschlorbeer-Büschen, die wir um die Jahrtausendwende gepflanzt hatten, als Kohl noch Kanzler, Putin ein netter Kerl und die Welt doch schöner war. Heute ticken die Uhren anders: Der Kirschlorbeer muss raus, sagt die Gartenwissenschaft und hat die hierzulande massenhaft anzutreffenden, immergrünen Gewächse längst als „invasive Neophyten“ gebrandmarkt. Das heißt erstmal nichts anderes als „eindringende Neupflanzen“. Diese Spaßverderber kommen leise, bringen bunte Farben und bleiben für immer. Es sind „Planten un Blomen“, die ursprünglich eben hier nicht heimisch sind, sich aber mit böser Vehemenz ausbreiten und der hiesigen Flora und Fauna eigentlich gar nichts bringen.

Was dabei zunächst harmlos klingt, bezeichnete der Spiegel einst als „biologische Globalisierung mit Wurzelwerk“. Da hatte er nicht Unrecht: Denn während der Mensch sich über Vielfalt freut („endlich mal was Pflegeleichtes im Garten“), geraten heimische Ökosysteme aus dem Takt – wenn auch nicht allein wegen des Kirschlorbeers. Auf ehemaligen Feuchtwiesen wuchert inzwischen das drüsige Springkraut wie ein biologischer Teppich, in den Wäldern verdrängt die spätblühende Traubenkirsche die Artenvielfalt mit der Beharrlichkeit eines Bürokraten. Und am Ufer des Moorbachs kämpft der Naturschutz gegen den japanischen Staudenknöterich, einen pflanzlichen Betonpanzer, unter dem offenbar nichts mehr lebt. Hinweg also mit dem Zeug.

„Am Ende bin ich ja selbst ein invasiver Neophyt, wurde im Alter von 4 Jahren aus dem fernen Oldenburg nach Vechta verschleppt, habe mich unerlaubt vermehrt und in dieser Region ein manierliches Leben geführt.“

Nun finde ich aber die Begriffskombination „invasive Neophyten“ so schön, dass ich sie im Falles eines Falles zum Fremdwort des Jahrzehnts wählen würde. Am Ende bin ich ja selbst ein invasiver Neophyt, wurde im Alter von 4 Jahren aus dem fernen Oldenburg nach Vechta verschleppt, habe mich unerlaubt vermehrt und in dieser Region ein manierliches Leben geführt. Ich biete halbschattigen Sichtschutz, ziehe manchmal irre geleitete Insekten an und bin im Alltag anspruchslos, genau wie der leidige Kirschlorbeer.
Den fällt man übrigens am besten mit der Akkusäge. Das geht schnell und diskret, hinterlässt aber dem Vernehmen nach blausäurigen Sondermüll, was in diesem Lande voller Allergiker, Hafermilch und Laktose zwar fast schon ein meldepflichtiges Ärgernis ist, aber Platz für blühende Zukunft schafft.

Mit der tatkräftigen Hilfe eines sachkundigen und wunderbar freundlichen Gärtnerfachbetriebes aus Calveslage haben wir inzwischen die Reihen gelichtet. Bauernjasmin, Goldglöckchen und die gemeine Felsenbirne laden künftig zu kontemplativen Teestunden. Mal sehen, wie das wird.


Zur Person

  • Christian Bitter ist Chef der Werbeagentur Bitter & Co. in Calveslage.
  • Er studierte Germanistik und war Leiter der Werbe-Redaktion der OV.
  • Den Autor erreichen Sie per E-Mail an: redaktion@om-medien.de.

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