In Steinfeld nutzen Kitakinder ihre Hände, um sich mitzuteilen
Das Andreaswerk Vechta setzt auf unterstützende Gebärden zur Kommunikation, unter anderem im heilpädagogischen Kindergarten St. Jakobus. Die Handzeichen sind eine Brücke zur Sprache.
I wie Igel: Ida Buddelmeyer zeigt am Fingeralphabet, einem Vorschulprojekt des heilpädagogischen Kindergartens St. Jakobus in Steinfeld, den Anfangsbuchstaben ihres Vornamens. Sobald die junge Steinfelderin mit dem Anybook Reader den Sticker an dem Zettel berührt, kann sie sich ihn auch anhören. Foto: Timphaus
"Blau ist anders als rot – ist anders als grün – ist anders als gelb": Wenn Kerstin Schwarze im heilpädagogischen Kindergarten St. Jakobus des Andreaswerks in Steinfeld das Farbenlied anstimmt, sind die Kinder konzentriert bei der Sache. Sie singen voller Inbrunst – und begleiten den Liedtext mit Gebärden. Nicht nur beim Singen nutzen die Knirpse – vor allem aber auch die Betreuungskräfte – im Kita-Alltag ihre Hände, um zu unterstreichen, was sie sagen.
Das Andreaswerk Vechta setzt in seinen Frühförderungen, Schulen und Kitas auf unterstützende Gebärden zur Kommunikation. Kerstin Schwarze ist seit dem 1. Februar für den Bereich Kinder und Jugendliche im Modellprojekt "Gelingende Kommunikation" verantwortlich, das von der Aktion Mensch finanziert wird und zur regionalen Unternehmensinitiative "Die Vielfalter – Experten für Teilhabe" von 8 Trägern der Behindertenhilfe gehört. Zusätzlich arbeitet sie als Vertretungskraft im Kindergarten St. Jakobus, der dadurch besonders von ihrer Expertise profitiert. Sie kann aber von allen Andreaswerk-Einrichtungen für Schulungen angefragt werden.
Die Kinderpflegerin und Fachkraft für elementarpädagogische Sprachförderung sagt: "Mit Gebärden bauen wir eine Brücke zur Sprache." Kindern falle es aufgrund ihres unverstellten Zugangs zur Welt leicht, sich auf die Kommunikation mit unterstützenden Gebärden einzulassen. Schwarze selbst sieht sich als Sprachunterstützerin.
"Wenn die Hände beschäftigt sind, gibt es keinen Quatsch am Mittagstisch."Kerstin Schwarze, Kinderpflegerin und Fachkraft für elementarpädagogische Sprachförderung
Ob Trisomie 21, Autismus-Spektrum-Störung oder eine andere körperliche oder geistige Behinderung: Kinder und Jugendliche mit kommunikativen Einschränkungen können mittels Gebärden ihre Emotionen ausdrücken und sich ihrer Umwelt verständlich machen. Aber auch Kinder mit und ohne sprachliche Defizite und Heranwachsende mit Migrationshintergrund profitieren im Alltag von der Kommunikation mit Handzeichen. "Sie lernen so besser und schneller Deutsch", sagt Schwarze.
Sie verfügt über 30 Jahre Berufserfahrung, arbeitet nach eigenen Angaben aber erst seit 3 Jahren kontinuierlich mit Kindern. Als Selbstständige gibt sie nebenberuflich auch Heilerziehungspflegern, Erziehern, Logopäden und anderen in Fortbildungen grundlegende Gebärden als Werkzeuge an die Hand. Im Kita-Alltag setzt Schwarze unterstützende Handzeichen vor allem spielerisch durch Lieder, Tischsprüche und Spiele gestützt ein. Das hat auch positive Nebeneffekte: "Wenn die Hände beschäftigt sind, gibt es keinen Quatsch am Mittagstisch."
Schwarze bildet sich regelmäßig fort und weiß deshalb, dass Kinder beim Schuleintritt heute oft über einen deutlich geringeren aktiven Wortschatz verfügen, als noch vor ein paar Jahren. Dies sei wissenschaftlich erwiesen. "Ich setze mich deshalb für Wortvielfalt ein", sagt sie.
Laut Hanna Rießelmann, kommissarische Leiterin des heilpädagogischen Kindergartens St. Jakobus, verfügten die Einrichtung und auch der benachbarte Sprachheilkindergarten St. Felicitas schon zuvor über einen Pool an Hilfsmitteln zur Kommunikation, der nun weiter ausgebaut werden soll. Als Beispiel nennt sie Metacom-Bilder, die regelmäßig in den heilpädagogischen Gruppen zum Einsatz kommen.
Auch in Elterngesprächen werde vielfach mit diesem Symbolsystem gearbeitet. "Wir fangen in diesem Bereich nicht bei Null an", betont sie. Eine engagierte Kollegin, die inzwischen aber nicht mehr beim Andreaswerk beschäftigt ist, habe viel Vorarbeit geleistet, sagt Rießelmann.
Kerstin Schwarze möchte Impulse für gelingende Kommunikation setzen
Schwarzes Arbeit fällt in Steinfeld also auf fruchtbaren Boden. Die gebürtig aus Wacken stammende Expertin für Gebärden, die seit dem vergangenen Jahr in Lembruch am Dümmer lebt, lobt das "tolle Team" und die wertschätzende Führung Rießelmanns. "Alle sind motiviert und haben Spaß an der Arbeit. Ich möchte neue Impulse setzen und zur gelingenden Kommunikation im Kita-Alltag beitragen", sagt sie.
Den Kindern bereitet das Gestikulieren viel Freude. Das beweisen sie auch beim Gummistiefel-Lied und der Geschichte vom kleinen weißen Fisch. Am besten ist aber immer noch das Farbenlied. Und wenn die Zwerge lauthals "pink" rufen und zeigen, wackelt laut dem jungen Heinrich (4) im übertragenen Sinne die ganze Turnhalle.