Höchste Erwartungen
Kolumne: Auf ein Wort – Papst Leo XIV. sieht sich mit übermenschlichen Erwartungen konfrontiert. Was Leo vom evangelischen Theologen Albert Schweitzer lernen kann.
Dr. Marc Röbel | 20.05.2025
Kolumne: Auf ein Wort – Papst Leo XIV. sieht sich mit übermenschlichen Erwartungen konfrontiert. Was Leo vom evangelischen Theologen Albert Schweitzer lernen kann.
Dr. Marc Röbel | 20.05.2025
Als Papst Leo XIV. am Sonntag in sein Hirtenamt eingeführt wurde, hat man ihn mit offiziellen und inoffiziellen Titeln überhäuft: Bischof von Rom, Stellvertreter Christi auf Erden, Oberhaupt der katholischen Kirche, aber auch Diener der Diener Gottes. Daran knüpfen sich höchste und sicher auch übermenschliche Erwartungen. Der evangelische Theologe Albert Schweitzer hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Er hat zwar bewusst auf eine geistliche Laufbahn verzichtet. Aber als Urwalddoktor in Zentralafrika wurde er weltweit zu einer Berühmtheit, zu einer moralischen Instanz. Auch er wurde mit Ehrentiteln überfrachtet: „Heiliger des Urwaldes“, „Humanist mit dem goldenen Herzen“ oder der „dreizehnte Jünger Jesu“ wurde er genannt. Schauen wir auf Albert Schweitzer. Der hat bisweilen unter den Erwartungen der anderen gelitten. Als Friedensnobelpreisträger musste er erleben, dass Scharen von Touristen nach Afrika kamen, um ihn als Berühmtheit zu „besichtigen“. Wie gehen wir mit den Erwartungen der anderen um? Das ist eine Schlüsselfrage, die uns Normalsterbliche mit dem Papst und anderen prominenten Persönlichkeiten verbindet. Wie kann es mir gelingen, den eigenen Weg zu gehen? Schweitzer hat es gewagt, die höchsten Erwartungen zu enttäuschen. Dafür ist er sich und seinem inneren Weg treu geblieben. Besonders in Amerika gab es öffentliche Kampagnen gegen ihn. Denn er trat energisch gegen die Kernenergie und die Atombombenversuche ein. Darin war er sich mit dem Physiker Albert Einstein einig, mit dem er äußerlich oft verwechselt wurde. Aber in seinem Denken blieb er so unverwechselbar wie seine ganze Lebensgeschichte. „Seine Botschaft von damals ist auch heute noch aktuell: Sei du selber. Bleibt Menschen mit eigener Seele.“ In Alberts Geschichte gab es einen Schweitzer-Tag. Das war der 22. März eines jeden Jahres. Viele wichtige Lebensereignisse, die für Albert Schweitzer eine Bedeutung hatten, waren an einem 22. März geschehen: An einem 22. März hatten er und seine spätere Frau Helene am Ufer des Rheins einander ewige Treue geschworen. An einem 22. März bricht er von Straßburg nach Afrika auf, um als Tropenarzt zu wirken. Am 22. März 1932 hält er in der Frankfurter Oper eine große Rede bei einem Goethe-Jubiläum. Seine Botschaft von damals ist auch heute noch aktuell: „Sei du selber. Bleibt Menschen mit eigener Seele.“ Der Psychologe Arno Gruen hat die Warnung ausgesprochen: „Wir werden als Originale geboren und sterben als Kopie.“ Von Papst Leo XIV. weiß man, dass er seinen Vorgänger Papst Franziskus sehr schätzte.Erwartungen anderer dürfen uns nicht ändern
Aber schon seine ersten Schritte machen deutlich: Er selbst ist mehr als eine Kopie. Dazu gehört es mitunter, die Erwartungen der anderen zu enttäuschen. Das Wort Albert Schweitzers kann ermutigen, den eigenen Weg zu gehen: „Sei du selber. Bleibe ein Mensch mit eigener Seele.“Zur Person
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