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Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen

Perspektiven

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Dr. Marco Rieckmann

Dr. Marco Rieckmann

Derzeit sind wir zu Besuch bei den Eltern meiner Frau in Ecuador. Vorletztes Wochenende waren wir zur Feier des 15. Geburtstags der Tochter einer Nachbarin eingeladen. Der 15. Geburtstag ist für Mädchen in Ecuador etwas Besonderes. Denn es wird der Übergang der 15-Jährigen („Quinceañera“) vom Mädchen zur Frau gefeiert.

„Sowohl Ecuador als auch Deutschland sind in Sachen Gleichberechtigung also immer noch ,Entwicklungsländer'“Dr. Marco Rieckmann

Während der Feier trug die „Quinceañera“ ein schönes, rosafarbenes Kleid, das durchaus an ein Brautkleid erinnerte. Während die Gäste bereits an den Tischen saßen, kam die „Quinceañera“ – begleitet von anderen Mädchen – in den Saal. Im weiteren Verlauf des Abends hielt der Vater eine Ansprache, gab es einen Tanz von Vater und Tochter mit Mariachi-Musik – sowie ein mehrgängiges Menü, Whiskey für die Erwachsenen, und es wurde bis in die Nacht getanzt. Da ich vorher noch nie bei einer solchen Feier gewesen war, war es durchaus interessant und unterhaltsam. Und doch blieb ein seltsames Gefühl zurück. Denn traditionellerweise handelt es sich bei dieser Feier um einen Initiationsritus, mit dem das Mädchen der Gesellschaft, und insbesondere den Männern, als nun heiratsfähige Frau präsentiert wurde. Zudem ging es um die Darstellung des Vermögens der Familie. Weshalb zum Beispiel das Kleid möglichst ausgefallen sein sollte. Auch wenn diese Bedeutungen heute in den Hintergrund getreten sind, sind sie im Ablauf der Feier doch noch erkennbar. Und so frage ich mich, warum immer noch viele – wenn auch längst nicht alle – Familien in Ecuador an dieser Tradition festhalten. Damit möchte ich nun aber nicht den Eindruck erwecken, dass es in Ecuador um die Gleichberechtigung der Mädchen und Frauen grundsätzlich schlechter gestellt wäre als in Deutschland. Denn so war meine Frau überrascht, als sie vor einigen Jahren in Deutschland ihr Master-Studium in Informations- und Kommunikationstechnik aufnahm und sowohl die Mitstudierenden als auch die Lehrenden fast nur Männer waren. Denn in ihrem ingenieurwissenschaftlichen Erststudium an einer ecuadorianischen Universität war zumindest bei den Studierenden das Verhältnis zwischen Frauen und Männern ausgeglichen. Sowohl Ecuador als auch Deutschland sind in Sachen Gleichberechtigung also immer noch „Entwicklungsländer“, in denen es noch einiges zu verändern gilt, um das fünfte UN-Nachhaltigkeitsziel „Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen“ zu erreichen.

Zur Person:

Dr. Marco Rieckmann ist Professor für Hochschuldidaktik – Schwerpunkt Schlüsselkompetenzen – an der Universität Vechta.

Sie erreichen den Autor per E-Mail unter info@ov-online.de

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