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Geprägt von Bögen, Zacken und Schnörkeln

Hedwig Grafe beherrscht Sütterlin-Schrift. Ihre Kenntnisse verdankt sie der langjährigen Konrektorin Guste Hackmann. Im Laufe der Jahre hat sie auch Texte transkribiert, die ihr nahe gegangen sind.

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Hedwig Grafe hat Spaß an der Schönschrift.    Foto: Martin Pille

Hedwig Grafe hat Spaß an der Schönschrift.    Foto: Martin Pille

Hedwig Grafe beugt sich hoch konzentriert über den vergilbten Kartengruß, den ein 30-jähriger Sohn seiner betagten Mutter am 15. Mai 1940 zum Muttertag aus dem Krieg schrieb. In Sütterlin-Schrift. Für die 72-Jährige ist das Lesen dieser überkommenen Schrift kein Problem. Auch das Schreiben nicht, denn diese Kenntnisse verdankt sie der langjährigen Konrektorin der ehemaligen Volksschule in Bösel, Guste Hackmann.

Sie hatte eine Schwäche für die alte Schrift ihrer Kindheit und brachte sie ihren  Schülern bei, die sich freiwillig dafür meldeten. Grafe: „Mir hat die Schrift immer sehr viel Spaß gemacht.“ Bis heute. Man kennt das ja: Beim Ausmisten auf dem Dachboden kommen sie zutage, die alten Schätze, uralte Briefe, Dokumente oder Tagebücher. Doch was Oma und Opa geschrieben haben, können die Enkel heute oft nicht mehr lesen.

Ludwig Sütterlin entwickelte die Schrift vor 100 Jahren

„Bald lebt niemand mehr, der die Sütterlinschrift in der Schule gelernt hat“, sagt Grafe, „die alte Schrift ist heute fast vergessen“. Und: „Früher wurde Sütterlin sogar als Schönschrift in der Schule gelehrt, heute kann das fast niemand mehr“, weiß sie und demonstriert, wie es gemacht wird.

Ludwig Sütterlin hatte vor 100 Jahren die Schreibschrift entwickelt, die ihre Mutter noch schrieb. Ausschlaggebend dafür war eine Erfindung, die mit dem Schreiben zu tun hatte: Damals schrieben die Kinder erstmals mit Federhaltern mit Stahlfeder.

Die Entwicklung war eine Auftragsarbeit

Alte deutsche Schreibschrift wurde kursiv geschrieben: Man ließ die Buchstaben ein wenig zur rechten Seite kippen. Schulanfänger mussten zunächst lernen, ihre Schreibfeder zu führen. Dabei war die schräge Schrift unpraktisch, denn die Feder rutschte immer wieder weg. Ludwig Sütterlin aus Lahr im Schwarzwald bekam deshalb den Auftrag, sich eine einfachere Schreibschrift auszudenken. Indem Sütterlin die schrägen Kurrent-Buchstaben senkrecht stellte, waren sie leichter zu schreiben und zu lesen.

„Da zählte letztlich nicht die Schrift, sondern die Geschichte, die sie erzählte.“

Hedwig Grafe, Sütterlin-Expertin

Hedwig Grafe demonstriert die Schrift mit den vielen Zacken, Schnörkel und Bogen. Wer mit dem Sütterlin-Alphabet im Kopf einen alten handgeschriebenen Text liest, tue sich nicht mehr so schwer, meint sie. Einmal habe sie einen Feldpostbrief, ein Zeitdokument mit erschütterndem Inhalt für Angehörige, transkribiert.

Das sei ihr sehr nahe gegangen, aber: „da zählte letztlich nicht die Schrift, sondern die Geschichte, die sie erzählte“. Mitunter schreibt sie die schöne alte Schrift auch heute noch, mal eine Urkunde, mal eine Transkription, weil‘s Spaß macht. Dank Guste Hackmann.

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