Das Nachrichtenportal vonMünsterländische Tageszeitung MT undOldenburgische Volkszeitung OV

Erinnerungen an Sonja und an zwischengelagerte Pakete

Kolumne: Auf ein Wort – Während es den Paketzustellern offenbar nicht gelungen ist, ihren Job zu machen, klingelt mein Handy jedes Jahr zum selben Tag aufs Neue.

Artikel teilen:

Gedenk- und Erinnerungstage sind ein dankbares Kolumnenthema, vor allem die skurrilen. So begingen wir am 2. Juni den Ich-liebe-meinen-Zahnarzt-Tag – oder hätten ihn begehen können. Nichts gegen meinen durchaus sympathischen Zahnarzt, aber ich gehe ihm nach Möglichkeit aus dem Weg. Viel freudiger sehe ich da dem Tag des Schlafes am 21. Juni entgegen. Auch der Tag des Kusses am 6. Juli klingt vielversprechend.

Weniger entspannt gestaltet sich oft der Umgang mit persönlichen Erinnerungen. Geht es dabei um sehnlichst erwartete Bestellungen, helfen Paketzusteller der Kundschaft gern durch serviceorientierte Zettel auf die Sprünge. Gleich zwei davon entnahm ich kürzlich dem heimischen Briefkasten. Zwar war ich an diesem Tag durchgängig zu Hause gewesen und hatte weder Fahrzeuge auf dem Hof noch die Türklingel vernommen. Dennoch war es den Zustellern offenkundig nicht gelungen, ihres Amtes zu walten. Die stattdessen deponierten Zettel erinnerten mich, dass dieses Amt deshalb nun mir obläge und meine Pakete in der Postfiliale meiner harrten. Gut, so kommt man wenigstens mal raus.

„Bis heute lässt er sich weder bearbeiten noch löschen, sondern meldet sich Jahr für Jahr tapfer aufs Neue.“

Nicht so leicht rauslocken lassen sich einige Erinnerungen an die Kinder- und Jugendzeit. Eine ehemalige Mitschülerin ist da besser aufgestellt. Bei jedem Treffen erfreut sie mich mit Schulanekdoten, die sich beim Hören auch in meinem Kopf nach und nach wieder manifestieren. Also sind sie offenbar irgendwo in den Weiten meiner Gehirnwindungen gelagert, lassen sich bedauerlicherweise aber nicht auf Kommando abrufen.

Angesichts von derlei Defiziten setze ich für Wichtiges auf digitale Speicherung. So ermahnt mich mein Handy in einer Rechtzeitigkeit, die sein vor langer Zeit verrenteter Papiervorgänger nicht leisten konnte, zu Geburtstagsgratulationen. Dass ich viele davon und teils auch die zugehörigen Kontaktdaten erfreulicherweise (noch) im Kopf habe, ist dem digitalen Kalender vollständig wurscht. Er tut seine Pflicht und erinnert konsequent weiter – manchmal sogar ohne Auftrag.

So ploppte Anfang Juni wieder die Erinnerung an Sonjas Geburtstag auf. Sonja war eine Mitstudentin, die sich durch dasselbe Althochdeutsch-Seminar quälte wie ich. Ebenso wie das Althochdeutsche ist der Kontakt inzwischen verblasst. Die dazugehörigen Daten wollte ich deshalb im Zuge einer groß angelegten Handy-Aufräumaktion zwecks Steigerung der allgemeinen Übersichtlichkeit entfernen. Diesem Ansinnen widersetzte sich Sonjas Jubeltag indes unbeirrt. Bis heute lässt er sich weder bearbeiten noch löschen, sondern meldet sich Jahr für Jahr tapfer aufs Neue.

Davor habe ich längst kapituliert. Irgendwie ist so eine Erinnerung für die Ewigkeit ja auch netter, als wenn scheinbar liebe Menschen einen lieblos wegwischen, aussortieren, löschen und vergessen. Sonjas Jubelfest hingegen bleibt mir. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch nachträglich, wo immer du bist!


Zur Person

  • Anke Lucht ist stellvertretende Pressesprecherin und stellvertretende Leiterin der Abteilung Medien- und Öffentlichkeitsarbeit des Bistums Münster.
  • Sie erreichen die Autorin per E-Mail unter redaktion@om-medien.de.

Gut und kompakt informiert zum Feierabend: Abonnieren Sie jetzt kostenlos unseren neuen WhatsApp-Kanal und erhalten den Newsletter „N'Abend, Oldenburger Münsterland“. Und nicht vergessen, die Benachrichtigungen auf dem Glocken-Symbol zu aktivieren! Hier geht es direkt zum WhatsApp-Kanal

Hier klicken und om-online zum Start-Bildschirm hinzufügen

Erinnerungen an Sonja und an zwischengelagerte Pakete - OM online