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Empathie und echte Schmerzen

Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Wenn der Partner Schmerzen hat, werden im eigenen Gehirn Schmerzregionen aktiviert. Manche Menschen gehen sogar noch einen Schritt weiter.

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Eine mir sehr nahe stehende Person hat sich kürzlich den Fuß gebrochen. In fränkischen Medien wäre schon an dieser Stelle eine genauere Erläuterung fällig, denn für den Franken an und für sich reicht der Fuß vom großen Zeh bis zum Knie. Muss man nicht verstehen, ist aber so.

Im konkreten Fall war es der linke Knöchel, um genau zu sein das Sprunggelenk. Nähere Ausführungen sind an dieser Stelle schon aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes nicht erforderlich. Zumal es eigentlich gar nicht um den Fuß jener Person geht. Sondern um meinen.

Gut eine Woche später nämlich begann auch mein Fuß zu schmerzen. Der linke natürlich. Erst nur leicht am Knöchel, dann immer stärker, bis sich der Schmerz über den Spann bis hin zum großen Zeh zog. Geschwollen war er natürlich auch, mindestens so sehr wie ein gebrochener Fuß. Echt jetzt, großes, äh, Native-Americans-Ehrenwort. Für Amateur-Hypochonder wie mich natürlich wenn schon kein Not-, dann zumindest ein Ernstfall.

"Ich renne schon aus dem Zimmer, wenn es beim Tatort spannend wird."Heiner Stix

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kennen dafür den Begriff "Empathie-Schmerz". Das Mit-Fühlen, wenn andere Menschen Schmerzen haben, ist aus neurologischer Sicht dem eigenen Erleben von Schmerz sehr ähnlich. Das lässt sich sogar, wie ich inzwischen weiß, im Gehirn erkennen.

Forschende des University College in London haben, um das genauer zu untersuchen, 16 Liebespaaren – erst den Frauen, dann den Männern – Elektroschocks versetzt und die Gehirnaktivitäten dabei mittels einer funktionellen Kernspintomografie sichtbar gemacht. Wie nicht anders zu erwarten, leuchteten dabei bei allen Probanden die bekannten Schmerzzentren im Gehirn auf. 

Sind Frauen der mitfühlendere Part einer Beziehung?

Die Frauen der Liebespaare erfuhren nach ihrer eigenen Schmerzerfahrung zudem über eine Anzeige, wenn ihrem Partner die Elektroschocks samt der damit verbundenen Schmerzen zugefügt wurden. Und prompt wurden auch bei ihnen bestimmte Schmerzregionen im Gehirn aktiv. Konkret regten sich jene Hirnregionen, die emotionale Schmerzreaktionen wie etwa Schrecken oder Trauer steuern.  

Die Gegenprobe traten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler indes nicht an. Ganz offensichtlich ging man davon aus, dass Frauen der mitfühlendere Part einer Beziehung sind, was unter Gleichberechtigungsaspekten sicherlich diskussionswürdig ist. Ich beispielsweise renne schon aus dem Zimmer, wenn es beim Tatort spannend wird. Es könnten ja Verletzungen gezeigt werden, die bei mir irgendwelche Schmerzregionen aktivieren.

Meine aktuellen Schmerzen allerdings haben ganz reale Ursachen. Eine Entzündungsreaktion, sagt der Arzt. Sollte also jemand eine Studie zum Thema "Spiegelneuronale Entzündungserscheinungen als Reaktion auf körperliche Verletzungen nahestehender Personen" in Erwägung ziehen, ich bin dabei. Und jetzt gehe ich und lege meinen Fuß hoch.


Zur Person:

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