Durch das Fenster meines Arbeitszimmers blicke ich in tristes Grau. Ich kann es noch nicht ganz glauben. Soll das wirklich derselbe Himmel sein, unter dem ich vor ein paar Tagen noch in Badehose und Flip-Flops in einem Anflug von gepflegter Langeweile vom Pool zum Strand geschlurft bin, um meine Füße nur mal kurz ins warme Mittelmeer zu halten?
Draußen vor dem Fenster fängt es an zu regnen. Es muss viel geregnet haben, als wir weg waren. Der vernachlässigte Rasen erstrahlt in sattem Grün. In der Tagesschau heißt es wieder: „…für die Jahreszeit zu kühl“. Der Vorsatz ist der gleiche wie jedes Jahr: Wenigstens einen Hauch der mediterranen Gelassenheit müsste man doch aus dem Urlaub in den norddeutschen Alltag hinüberretten können. Und dann steht man in hässlichen Hamburger Seitenstraßen im Stau, weil rund um den Flughafen alles dicht ist und Google Maps es doch wohl wissen muss. Auf der Autobahn schalten die Ersten die Nebelschlussleuchte ein, damit man sie im Starkregen noch sieht.
Ich weiß, der klassische Sommerurlaub ist in den letzten Jahren ein wenig aus der Mode gekommen. Schon beim Gedanken an Temperaturen um die 30 Grad kriegen die meisten Deutschen Schnappatmung. Und wer erzählt, dass er gedenkt, im Hochsommer 2 Wochen auf Kreta (oder in Italien oder in Kroatien) zu verbringen, erntet mittlerweile nur noch besorgte Reaktionen: „Wie haltet ihr das nur aus, bei der Hitze?!“ Die Antwort ist: sehr gut. Ich brauche jetzt auch keine 45 Grad wie in Bagdad oder in der Türkei, aber der Sand darf durchaus einmal im Jahr so heiß sein, dass man sich die Füße verbrennt.
„Ich weiß: Urlaub ist teuer und irgendwann vorbei. Aber kein Urlaub ist auch keine Lösung.“
Einmal im Jahr will ich aus dem Flugzeug steigen und die heiße, salzige Luft des Südens einatmen. Und dann in einem Kleinbus Platz nehmen und mich von einem wortkargen Einheimischen mit absurd dunkler Sonnenbrille zu den Klängen eines überdrehten lokalen Radiosenders über kurvige Straßen zu einer hübsch gelegenen Unterkunft fahren lassen, wo einen gutes Essen und kalte Getränke erwarten.
Freunde des gepflegten Nordsee-Urlaubs mögen mich für verrückt erklären, aber wenn ich mich dann spätestens am zweiten Tag auf dem Mountainbike über heißen Asphalt die Serpentinen in das nächste Bergdorf hochschraube und mich erst mit einer eiskalten hausgemachten Limonade in der Dorftaverne und dann mit einer rasenden Abfahrt belohne, dann ist mein Urlaubsglück perfekt.
Abends sitzt man dann erschöpft, aber entspannt bei Greek Salad, Chicken-Souvlaki und einem eiskalten Alpha (das Glas kommt aus dem Gefrierfach) auf der Restaurant-Terrasse, lässt den Tag Revue passieren und das Weltgeschehen ist plötzlich so weit weg wie der Regen in Vechta. Einmal im Jahr keine Nachrichten – auch das ist echter Urlaubs-Luxus.
Ja, ich weiß: Urlaub ist teuer und irgendwann vorbei. Aber kein Urlaub ist auch keine Lösung. Wer weiß, vielleicht tragen wir ja bald alle einen Chip im Kopf und die KI schickt uns in virtuelle Urlaubswelten. Bis dahin lege ich weiter Geld zurück für die schönste Zeit des Jahres. Und freue mich schon auf den tristen November, wenn die Urlaubsplanung fürs nächste Jahr beginnt. Eines steht mal fest: Es geht in den Süden.
Zur Person: