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Ein Brief an mein Volo-Ich

Kolumne: Von der Pike auf – 2 Jahre Volontariat in der Redaktion neigen sich dem Ende. Für mein jüngeres Ich habe ich ein paar Überlebenstipps.

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Das Thema Beziehungen ist oft ein schwieriges. Insbesondere dann, wenn sie zu Ende gehen. Und das nicht nur auf menschlicher Ebene. Meine Zeit bei OM-Medien ist nun bald vorbei. Was in romantischen Filmen immer hilft, um Emotionen zu verarbeiten, ist ein Brief. Wenn es nach meiner Partnerin geht, bin ich allerdings ungefähr so romantisch wie ein Redaktionsschluss: unflexibel und ohne Kerzenschein. Und ganz unrecht hat sie damit vielleicht nicht. Daher folgt hier nun kein Liebesbrief, sondern ein Abschiedsbrief an mein Volo-Ich aus dem Jahre 2023:

Lieber Kai von 2023,

keine Sorge, du wirst dein Volontariat überleben. Auch wenn du am ersten Tag dachtest, dass dich das Redaktionssystem verschluckt und nie wieder ausspuckt. Du wirst lernen, gleichzeitig ins Telefon zu sprechen, Mails zu tippen und dabei mit halbem Ohr zu hören, wie eine Kollegin sich darüber aufregt, dass eine andere wieder irgendetwas „ver...“ – das Originalzitat lass' ich unvollendet. Das ist nicht mal mehr umgangssprachlich. Du wirst es später verstehen, so wie du irgendwann sogar die geheimnisvollen Begriffe wie „Lok 1“, „Leuchtturm“ und „Flaggenparade“ kennst und nutzt. Und ja: Irgendwann wirst du auch die schlechten Launen und Aggressionen langjähriger Kolleginnen und Kollegen nachvollziehen können. 

Du wirst Fehler machen. Viele. Einmal wirst du einen Text so katastrophal redigieren und auf die Seite basteln, dass deine Chefin dir die Zeitungsseiten wie Papierflieger um die Ohren haut. Einmal wirst du eine Überschrift bauen, die länger ist als der Text darunter – und dich fragen, ob das noch Journalismus oder schon Lyrik ist. Ein anderes Mal wirst du nach Hause kommen und deiner Partnerin erklären müssen, warum sie die Hauptrolle in einer deiner Kolumnen spielt. Aber keine Sorge: Das gehört dazu – und niemand wird es dir ewig nachtragen.

„Du wirst Menschen kennenlernen, die dich überraschen, berühren oder einfach nur zum Lachen bringen. Und Kolleginnen und Kollegen, die dir zeigen, dass Journalismus Teamarbeit ist – auch wenn du den Text am Ende allein abgibst.“

Du wirst merken: Es sind nicht die großen Aufmacher, die dir im Kopf bleiben, sondern die kleinen Episoden. Der Rentner, der dir bei der Jahreshauptversammlung detailgenau die Vereinsgeschichte erzählt – inklusive aller Kassenwarte seit 1974. Die Leserin, die sich als Demokratin versteht, der aber dein geschriebener Kommentar zur aktuellen Politik nicht passt. Oder der Feuerwehrmann, der dir nach einer völlig missglückten Übung versichert, dass „eigentlich alles nach Plan“ lief. Das sind die Momente, die bleiben.

Du wirst Menschen kennenlernen, die dich überraschen, berühren oder einfach nur zum Lachen (oder zum Kotzen) bringen. Und Kolleginnen und Kollegen, die dir zeigen, dass Journalismus Teamarbeit ist – auch wenn du den Text am Ende allein abgibst. Und zum Schluss ein kleiner Tipp: Schreib deine letzte Kolumne nicht erst auf den letzten Drücker. Aber das liest du ja jetzt – und natürlich hast du es wieder genau so gemacht.

Mach dir keine Sorgen, es wird eine gute Zeit. Und irgendwann sitzt du da, schreibst deinen Abschiedsbrief an dein Volo-Ich, verabschiedest dich von deinen treuen Leserinnen und Lesern – und freust dich auf alles, was kommt.

Herzlichst,
Kai von 2025


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