Dry January – ist Fasten wieder cool?
Kolumne: Auf ein Wort – Der „Dry January“ ist voll im Trend. Er kehrt dabei aber möglicherweise eine traditionell-kirchliche Reihenfolge um.
Johannes Rohlfing | 28.01.2025
Kolumne: Auf ein Wort – Der „Dry January“ ist voll im Trend. Er kehrt dabei aber möglicherweise eine traditionell-kirchliche Reihenfolge um.
Johannes Rohlfing | 28.01.2025
„Danke, ich bleibe bei Wasser. Ich mach Dry January.“ So hörte ich einen Freund reden. Dry January ist voll im Trend. Und was im Trend ist, ist natürlich auf Englisch. Der wörtlich übersetzte „trockene Januar“ bezeichnet den freiwilligen Verzicht in diesem Monat auf Alkohol. Wie populär dieses Phänomen ist, zeigt mir eine kurze Recherche im Internet: Im Januar 2024 wurde knapp 50 Prozent weniger Alkohol in großen Supermarktketten gekauft als im vorhergehenden Dezember, im Vergleich zum Jahresdurchschnitt fiel der Absatz rund 30 Prozent geringer aus. Außerdem belegen die Statistiken, dass auch bei Süßigkeiten und sogar Fleisch viele im Januar auf die Bremse treten. Tendenz steigend. Interessant, denke ich. Ist Fasten etwa wieder cool? Wenn das mal kein Anknüpfungspunkt kirchlicher Tradition an einen Trend am Puls der Zeit ist! Aber naja… auf den zweiten Blick hat der Dry January doch nicht ganz so viel mit dem traditionellen kirchlichen Fasten zu tun – vorsichtig ausgedrückt. Denn streng genommen könnte der zeitliche Gegensatz nicht größer sein. Wenig bekannt, aber wahr: Der Advent ist im Kirchenjahr eigentlich eine Zeit des Fastens. Und der Weihnachtsfestkreis geht, traditionell gesehen, bis zum 2. Februar. Nach der Logik des Kirchenjahres wäre also im Dezember (dem Monat, in dem so viel geschlemmt wird, wie in keinem anderen) Verzicht angesagt und Genuss im Januar (wenn viele aus freien Stücken Verzicht üben). „Aber naja… auf den zweiten Blick hat der Dry January doch nicht ganz so viel mit dem traditionellen kirchlichen Fasten zu tun.“ Die traditionell-kirchliche Reihenfolge, im ersten Schritt Verzicht und Besinnung auf das Wesentliche und dann im zweiten das Vergnügen und die Feier, finde ich in der Theorie viel überzeugender als das Auf-die-Bremse-Treten im Januar. Das funktioniert ja genau andersherum: zuerst das Vergnügen, dann die Pause. Oder etwas spitzer formuliert: Dem Überfluss vom Genuss folgt der Überdruss. Aber schöne Theorie hin oder her, die gesellschaftliche Realität ist offenkundig eine andere. In einer der vermutlich bekanntesten Geschichten über Jesus nimmt er auch eine gesellschaftliche Realität ernst: Ein Brautpaar steht vor dem sozialen Desaster, keinen Wein mehr auf der Hochzeitsfeier zu haben – eine Schande wäre das in dieser Kultur gewesen. Dieses rein sozio-kulturelle Problem (die Menschen wären ja nicht verdurstet) nimmt Jesus äußerst ernst und rettet das Brautpaar vor der Schmach durch die berühmte Verwandlung von Wasser zu Wein. Wie phänomenal dieser Wein dem Brautpaar nach dieser brenzligen Situation geschmeckt haben muss! Wenn Jesus die Antwort auf die Frage ist, wie menschliches Leben im Sinne des Erfinders aussieht, dann gehört der Genuss fraglos dazu. Für eine gute Balance zwischen Verzicht und Feiern sind feste Zeiten im Jahr, finde ich, eine vernünftige Sache. Und wer bereut, im Advent nicht gefastet und nicht Dry January gemacht zu haben, dem sei gesagt: Die „Sieben Wochen ohne“ vor dem Osterfest sind gar nicht mehr so weit hin.Zur Person:
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