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Donald Trump oder Jesus von Nazareth?

Kolumne: Auf ein Wort – Während alle Welt sich über den Abstand zweier Buchstaben auf einem Grabstein aufregt, fallen wichtige Fragen in den Hintergrund.

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Haben Sie das mitgekriegt: die Diskussion um die Buchstaben auf der Grabplatte von Papst Franziskus? In den Stein eingraviert steht da ganz schlicht „FRANCISCUS“. Und warum jetzt die weltweite Aufregung? Die Abstände vor und nach dem Buchstaben „A“ sind größer als die zwischen den anderen Schriftzeichen. „Hier war ein absoluter Dilettant am Werk“, schreibt eine Schweizer Zeitung. „Nicht einmal einem Auszubildenden im ersten Lehrjahr würde so ein Missgeschick unterlaufen“, setzt ein Zürcher Bildhauer eins drauf. Herrlich, oder!? Die Welt regt sich darüber auf, dass die Abstände zwischen Buchstaben unterschiedlich sind.

Franziskus hat vermutlich vom Himmel aus seine Freude daran! Und, wie auch immer es passiert ist, es passt zu ihm: Er, der das Unperfekte gelobt und gelebt hat. Der mit abgestoßenen Schuhen unterwegs war. Dessen Körper durch einen Infekt massiv geschwächt war und der in diesem Zustand am Ostersonntag ein letztes Mal den Segen ‚Urbi et Orbi‘ gespendet hat. Einen Tag vor seinem Tod!

„Das Gegenstück zu den aktuell polternden Stimmen aus den USA, zur aufziehenden Herrschaft weniger Milliardäre, die sich selbst beinahe an die Stelle Gottes setzen.“

Wer möglicherweise schon einmal in der unterfränkischen Abtei Münsterschwarzach war, mag auch dort das Unperfekte miterlebt haben: Um 7 Uhr in der Frühe oder spät am Abend stimmt ein Pater mit dünner, zittriger Stimme den Gesang des Vater-Unser an. Der Uhrzeit geschuldet oder dem fortgeschrittenen Alter: Als Zuhörer hat man die Sorge, ob der Sänger wohl bis zum Ende durchhält? Hätte er seine Stimme nicht aufwärmen können? Nicht an jemanden mit jüngerem oder kräftigerem Klang übergeben können?
Aber genau das ist es: Es genügt. Das Wenige. Das Zittrige. Vor Gott braucht es nicht das Perfekte. Das, was der- oder diejenige an dem Tag und in genau diesem Moment mitbringt, genügt.

Das Gegenstück zu den aktuell polternden Stimmen aus den USA, zur aufziehenden Herrschaft weniger Milliardäre, die sich selbst beinahe an die Stelle Gottes setzen. Das Christentum hat manchmal den Ruf, eine Religion der Innerlichkeit zu sein. Ist sie auch. Aber eine, die politische Folgen hat.

Wenn es beispielsweise in wenigen Jahren auch in Deutschland eine weit größere Anzahl an älteren, pflegebedürftigen Menschen geben wird: Was wird dann zählen? Der Vollkommenheitsgedanke, in dessen Logik das Schwache nichts bedeutet, fallen gelassen oder gar ausgemerzt wird? In welchem Alte und Kranke nur ein Kostenfaktor sind? Oder zählt eine Botschaft Jesu, wonach das Schwache kostbar ist? An 14 Stellen im Neuen Testament macht er Blinde sehend, verhilft Lahmen zum Gehen, holt Aussätzige zurück in die Mitte und lässt Taube wieder hören. Wird zur „Zuflucht der Schwachen (Jes 25,4)“. Lebt den Satz aus dem Korintherbrief: „Wenn ich schwach bin, bin ich stark (2 Kor 12,10)“.

Beim Gott Jesu Christi ist jedes Gebrechliche kostbar. Selbst das Tote. Und die Abstände zwischen zwei Buchstaben: geschenkt!


Zur Person:

  • Dietmar Kattinger ist Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landes-Caritasverbandes in Vechta.
  • Sie erreichen den Autor per E-Mail unter redaktion@om-medien.de.

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