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Die Prinzipien des Evangeliums einbringen

Das Kreuz als Symbol des Christentums hat seinen Platz in unserer Gesellschaft. Buch erscheint am 7. November Südoldenburger und ihre Gedanken zu Kreuz und Christentum:

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Jeder Besucher des Benediktinerinnenklosters Burg Dinklage nähert sich der Burganlage auf der schmalen Burgallee. Und wird dabei ein großes Banner zwischen den Bäumen mit der Inschrift: „Mut woher? Mut wozu?“ nicht übersehen können. Es weist auf den Seligen Clemens August Kardinal von Galen hin, der am 16. März 1878 auf Burg Dinklage geboren wurde, und als Bischof von Münster mutig gegen die Tötung sogenannten lebensunwerten Lebens während der Herrschaft der Nationalsozialisten aufgestanden ist.

Das Thema „Mut“ hat sich die Kardinal von Galen Stiftung als Motto erkoren und stellt es seit 2015 in jährlich zwei ganz unterschiedlichen Veranstaltungen in den Mittelpunkt. So fand am 16. März 2016 ein Abend unter dem Thema „Mut zum Kreuz“ statt, an dem neben dem Gedenken an den Kardinal an den 80. Jahrestag des sogenannten Oldenburger Kreuzkampfes erinnert wurde. Aber die Gründe, sich des Kreuzes als zentralem Symbol des Christentums zu vergewissern, reichen tiefer als solche terminbezogenen Anlässe. Das wurde an dem Abend auch in den persönlichen Zeugnissen zu den Themen „Kreuz in der Politik“ und „Kreuz im Unternehmen“ deutlich.

Die Auseinandersetzungen darüber, ob Kruzifixe in öffentlichen Gebäuden hängen dürfen oder nicht, sind nicht neu. Man denke nur an das Kruzifix-Urteil von 1995. Sie nehmen allerdings in ihrer Schärfe angesichts konkurrierender Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft wieder zu. So hat erst kürzlich der Gerichtspräsident des Saarbrücker Amtsgerichts verfügt, dass die Kreuze aus seinem Gerichtssaal entfernt wurden. Die Proteste beider Kirchen ließen nicht auf sich warten – der Bischof von Trier beklagte, dass wir damit unsere Tradition und Herkunft verleugneten.

Aber wie steht es mit der viel beschworenen christlichen Leitkultur? Steht das Kreuz in Schulen oder Gerichtssälen angesichts der Trennung von Kirche und Staat für die unzulässige Vorherrschaft einer Religion? Oder für ein Bekenntnis zu bestimmten Wertegrundlagen?

In seiner Rede vor dem Europaparlament im November 2015 hat der Papst die Europäer dazu aufgerufen, sich auf die eigenen religiösen Wurzeln zu besinnen. Damit werde Europa leichter immun gegen die vielen Extremismen der heutigen Welt, denn, so Franziskus, „es ist gerade die Gottvergessenheit und nicht seine Verherrlichung, die Gewalt erzeugt“.

Schauen wir einmal in die Verträge: die Präambel des Vertrags von Lissabon über die EU spricht davon, dass die EU aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe schöpft, aus dem sich Menschenrechte, Freiheit, Demokratie Gleichheit und Rechtsstaat ergeben. Und in der Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland findet sich der Gottesbezug: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen ...“

Ich meine, Religion und das christliche Menschenbild können die Grundlage für unsere politische Ordnung sein und bleiben, wenn wir der Empfehlung Jesu folgen: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers und Gott, was Gottes ist“. Die darin liegende, fundamentale Unterscheidung zwischen der staatlich-politischen Ordnung einerseits, der Autonomie des Religiösen und der religiös begründeten Entscheidung des Individuums andererseits hilft, staatlich vermittelte Sinngebungsversuche abzuwehren. Aus dieser Unterscheidung ergibt sich zudem eine gesunde Selbstbeschränkung der Religion, eine Schranke gegen übergriffige Ansprüche der Religionsgemeinschaften, den Bereich der staatlichen Ordnung quasi exklusiv zu bestimmen. Schließlich steht diese Unterscheidung gegen eine gefährliche Instrumentalisierung von Religion in Politik und durch Politik. Dass diese Gefahr real ist, zeigt die Instrumentalisierung des sogenannten christlichen Abendlandes durch rechtspopulistische Bewegungen.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, brachte es in seiner Predigt beim Abschlussgottesdienst des Katholikentages in Leipzig auf den Punkt: Die Kirche könne und wolle den Staat nicht ersetzen, so Marx. „Aber wir wollen in unsere Gesellschaft Prinzipien des Evangeliums einbringen, auch in die gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen.“

So verstanden, hat das Kreuz als zentrales Symbol der christlichen Leitkultur seinen unverzichtbaren Platz in unserer Gesellschaft. Aber dieser Platz ist nicht mehr unangefochten. In Europa ist ein Kulturkampf entbrannt. Auch in Deutschland ist es an der Zeit, sich auf die zentralen Botschaften zu besinnen, die vom Kreuz ausgehen.

Wir müssen uns neu besinnen, wofür wir stehen und einstehen, wenn wir im Konzert der Lebensanschauungen auf Dauer bestehen wollen. Nicht um das christliche Abendland zu verteidigen, wie es die AfD propagiert, sondern um für das Christliche im Abendland zu stehen.

Fakten

  • „Mut zum Kreuz!“ ist ein Projekt der Kardinal-von-Galen Stiftung Burg Dinklage, der OV und der Münsterländischen Tageszeitung. Die Serie endet mit dieser Folge.
  • Anlass für das Projekt sind der 70. Todestag des Seligen Clemens August Kardinal von Galen im März 2016 und die Rückschau auf den Kreuzkampf im Oldenburger Münsterland vor 80 Jahren.
  • Der 1878 auf Burg Dinklage geborene Kardinal predigte gegen die Euthanasie-Morde der Nazis. Im Kreuzkampf protestierten 1936 Südoldenburger öffentlich und mit Erfolg gegen die von den Nazis angeordnete Entfernung der Kreuze aus katholischen Konfessionsschulen.
  • Noch bis in den November sind die Bilder auf Burg Dinklage zu sehen.
  • „Mut zum Kreuz!“ wird unterstützt von der LzO und der CEWE-Gruppe in Oldenburg.
  • Die Autorin Dr. Eva-Maria Streier ist Wissenschaftsjournalistin in Bonn und Mitglied des Hochschulrates der Universität Vechta.
  • Die Vorsitzende des Freundes- und Fördererkreises ist seit 30 Jahren freundschaftlich mit den Benediktinerinnen auf Burg Dinklage verbunden. Seit Februar 2016 ist Dr. Eva-Maria Streier Mitglied des Kuratoriums der Kardinal von Galen Stiftung.

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