Der Schuss in Harkebrügge ist Wasser auf die Mühlen aller Jagdkritiker
Gästebuch: Bei einer Treibjagd wurde eine Frau im Gesicht verletzt – doch das bringt viele Fragen mit sich.
Otto Höffmann | 11.01.2025
Gästebuch: Bei einer Treibjagd wurde eine Frau im Gesicht verletzt – doch das bringt viele Fragen mit sich.
Otto Höffmann | 11.01.2025

Eine Treibjagd ist eine Gesellschaftsjagd, bei der das Wild durch Treiber und Hunde hoch gemacht (aufgescheucht) und den Jägern zugetrieben wird, damit diese es erlegen können. Die Frauen und Männer in den grünen Loden sprechen von „Streife“ und „Kesseltreiben“ bei übersichtlichem Gelände. Alle Jäger müssen einen Jagdschein machen und werden dabei über die Folgen ihres Tuns aufgeklärt. Und wenn gegen Recht und Gesetz verstoßen wird, droht der Schein-Entzug. Aber auch unter den Hubertusschwestern und -brüdern gibt es Straftäterinnen und Straftäter. Wie überall. Das eine oder andere schwarze Schaf befindet sich möglicherweise auch unter den Grünröcken, die vor ein paar Wochen den Nordkreis Cloppenburg in der Nähe der Straße Hüttentange in Barßel-Harkebrügge unsicher gemacht haben. Das Opfer, eine 59-jährige Frau, hängte am Samstagnachmittag, nichts Böses ahnend, in ihrem Garten die Wäsche auf, als mehrere Kugeln sie völlig unvermittelt im Gesicht trafen. Nach späteren Feststellungen der Polizei waren in unmittelbarer Nähe 20 Treibjägerinnen sowie -jäger unterwegs und schossen auf aufgescheuchtes Wild. Der Frau mussten in einer mehrstündigen Operation zahlreiche Kugeln aus dem Gesicht entfernt werden. Die Polizei erfuhr erst Stunden später von dem Vorfall. Da halten die Waidgenossen ja zusammen. „Gar lustig ist die Jägerei, allhier auf grüner Heid“, kann man da nur bitterböse zum Gesang anheben. Auf den Jäger, „der reitet durch den grünen Wald und schießt sein Wild daher, gleich wie es ihm gefällt“. Und wenn er daneben schießt? Pech gehabt? Niemand muss sich selbst belasten. Und natürlich gilt auch für Jäger die Unschuldsvermutung. Aber ein bisschen mehr Verantwortungsgefühl hätte den Hubertusjüngern wohl gut zu Gesicht gestanden. Stattdessen wenig Interesse an Aufklärung. Inzwischen soll sich der oder die Mutmaßliche ja gemeldet haben... „Wahrlich kein Anlass für ein Waidmannsheil. Noch weniger einer für ein Waidmannsdank.“ Fünf Personen pro 1000 Einwohner haben deutschlandweit einen Jagdschein. Der Frauenanteil an Jagdschulen ist laut Statistik innerhalb von 10 Jahren von 20 auf 28 Prozent gestiegen. Die Jagd wird aus allen Himmelsrichtungen kritisiert. Manche halten sie für überflüssig. Hobbyjägern wird ja gelegentlich elitäres Verhalten nachgesagt. Denn die Jägerei kostet Geld. Der Vorfall auf der Treibjagd in Harkebrügge ist Wasser auf die Mühlen aller Jagdkritiker. Tierschützer von „Peta“ fordern schon ein Verbot der Hobbyjagd. Die Beteiligten und auch ihre Verbandsvertreter sind sehentlich oder blind in ein kommunikatives Desaster gestolpert, in den größtmöglich anzunehmenden Image-Gau. Überheblichkeit und Arroganz haben sich einvernehmlich gepaart. Ein unschuldiges Opfer ist auf der Strecke geblieben. Und zunächst wollte es keiner gewesen sein. Wahrlich kein Anlass für ein „Waidmannsheil“. Noch weniger einer für ein „Waidmannsdank“.
Und jetzt kommen natürlich die bösen Fragen: Ist die Treibjagd behördlich angezeigt worden? Bei den 20 Teilnehmern wohl Pflicht. Wie konnte sich „ein Schuss lösen“? Sind die Gewehre nicht gesichert? War die Strecke abgesichert? Hat keiner Schreie gehört? Und wenn ja, warum hat keiner Polizei und Rettungsdienst informiert? Sind sämtliche Teilnehmer noch geeignet und zuverlässig oder müssen sie ihre Jagdscheine abgeben? Ist alles getan worden, um ein solches Unglück bei der Gefahrenlage zu vermeiden? Und wer haftet für die gefährliche Körperverletzung? Schließlich stehen schwere strafrechtliche Verstöße im Raum. Haften hier alle Jäger wie eine Bande? Wie bei einer Keilerei: alle für einen? Oder für eine?Zur Person:
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