Das kleine, junge, blonde Mädchen
Kolumne: Unterschätzt, belächelt, belohnt: Wie Vorurteile mich antreiben – und warum mein blondes Haar längst meine Tarnung ist.
Charlotte Arkenau | 22.09.2025
Kolumne: Unterschätzt, belächelt, belohnt: Wie Vorurteile mich antreiben – und warum mein blondes Haar längst meine Tarnung ist.
Charlotte Arkenau | 22.09.2025
„Ach, Sie sind jetzt Reporterin?“ Ein Satz, den ich schon öfter gehört habe, als mir lieb ist. Meist begleitet von einem Blick, der irgendwo zwischen Zweifel und Überraschung pendelt. Jung, blond, klein – das scheint für viele kein Bild einer typischen Journalistin zu sein, sondern eher von jemandem, dem man die große Geschichte (noch) nicht zutraut. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte diese Momente einfrieren. Dann würde ich die Gesichter sammeln und später in einem Stickeralbum veröffentlichen. Offenbar sieht man in mir keine junge Journalistin. Sondern wohl eher eine wandelnde Barbie-Puppe auf Praktikumstour oder so ähnlich. Naja, blond bin ich, das kann ich nun mal nicht leugnen. Pink trage ich auch gerne. Das habe ich von meiner Mama mit in die Wiege gelegt bekommen. Von Glitzer ganz zu schweigen. Wie die Mutter, so die Tochter. Und manchmal denke ich: Hätte ich jetzt noch ein Diktiergerät in Rosa und ein Notizbuch mit einem Glitzer-Einhorn drauf, dann würde es das Bild doch perfekt abrunden. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass mein Äußeres oft zuerst wahrgenommen wird, bevor auch nur eine meiner Fragen gestellt ist. Das Lächeln, das mich erwartet, sagt weniger „Willkommen“. Vielmehr: „Na, mal sehen, ob die das überhaupt hinkriegt.“ Vom Vertrauen mal ganz abgesehen. Frage ich die Rettungskräfte auch, ob sie mir ihr Können vorab demonstrieren mögen? Oder frage ich ein Bauunternehmen, ob es mir beweisen kann, dass es die Steine auch so platziert, wie es in der Zeichnung vorgesehen ist? Bin ich denn wirklich weniger wert, weil mir ab und an noch jemand über die Schulter schaut? Ein Profi ist bis jetzt noch nicht vom Himmel gefallen. „Auch ein kleines, junges, blondes Mädchen kann was erreichen. Manchmal muss man einfach mal Vertrauen schenken.“ Und trotzdem: Genau diese Momente haben mich geschärft. Ich habe gelernt, dass man Respekt nicht immer sofort geschenkt bekommt. Manchmal muss man ihn sich erarbeiten, hartnäckig, mit guten Recherchen und den richtigen Fragen. Die Blicke, die mich am Anfang taxierten, sind oft dieselben, die später überrascht auf meine Texte reagieren. „Du kannst ja doch etwas“ oder „Das hast du wirklich toll hinbekommen“ – Gott sei Dank, habe ich das Temperament und Durchhaltevermögen von meinem Vater geerbt. Dank ihm weiß ich: Manchmal muss man sich die Anerkennung erst erarbeiten. Und selbst dann sind 99 Prozent noch nicht zufrieden. Natürlich nervt es, ständig unterschätzt zu werden. Aber unterschätzt zu werden, hat auch einen Vorteil: Niemand rechnet damit, dass man plötzlich die schwierigste Frage stellt oder die entscheidende Information ausgräbt. Mach was daraus! Schock die Leute! Solange sie über dich reden, ist alles gut. Denn alle anderen wissen meistens eh alles besser, als du selbst. Das blonde Haar, das manche als Vorurteil in Strähnen sehen, ist für mich längst zur Tarnung geworden. Denn am Ende zählt nicht, ob ich klein, blond oder jung bin. Am Ende zählt, wie groß die Geschichte wird.Zur Person:
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