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Bunnen und der „Rechtsstaat“

Gästebuch: Die Anklage lautete unter anderem auf Volksverhetzung. Mit seinem Urteil beweist das Amtsgericht Cloppenburg Augenmaß.

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Es war keine Hetze auf dem Fest. Die Bunner Jungs sind raus. Nicht fein, aber frei. Volksverhetzung war angeklagt. Paragraf 130 des Strafgesetzbuches droht dafür mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren. Kein Pappenstiel also, was da den zwei Jungs Angst machen musste. Sie hatten bekanntlich auf dem Schützenfest in Bunnen zum Song „L’amour toujours“ des Musikers Gigi D'Agostino die Parole „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“ skandiert.

Das sollte denn was sein. Holzköpfe klopfen Sprüche. Das schockt. Doch die Schützen und ihre weitaus übergroße Zahl von Gästen fand das gar nicht witzig. Vielmehr war das schiere Entsetzen groß. Eine Welle der Empörung machte sich in Bunnen und umzu breit. Wehret den Anfängen, hieß es. Und sogar der Staatsanwalt in Oldenburg legte eine rote Akte für Strafsachen an. „In Sachen gegen XY u.a. wegen Volksverhetzung.“

Bunnen ist doch nicht Weimar

Da war nix mehr mit Heldentum. Die Helden hatten sich durch Dummheit, Gedankenlosigkeit und Wichtigtuerei eine blutige Nase geholt. Das schmerzte zurecht. Isolation pur. Denn niemand sprang ihnen bei. Keiner hob die Hand zum donnernden Applaus, keiner nickte bedächtig beifällig, keiner sang klammheimlich mit. Niemand. Nirgends. In Bunnen nicht und auch nicht umzu. Nix war mit „L’amour toujours“. Nix mit „immer nur Liebe“. Das Volk erhob sich und gewann. Gegen Ausländerhetze und Nazi-Gegröle. Nicht in Bunnen und auch nicht umzu. Und nicht mit uns.

Das war wichtig. Sehr wichtig sogar an Tagen, da verirrte Thüringer einen Rechtsextremen zum ersten Mann im Lande küren wollen und rechte Parolen sagbar werden. In Bunnen dagegen standen sie wie ein Mann (oder eine Frau): nicht mit uns! Bunnen ist doch nicht Weimar. Damals hätte das Volk applaudiert. Und für die Helden des braunen Ruhmes wäre aus dem Pappenstiel eine Pusteblume geworden. Führerjugend, geh’ voran. Doch hier und heute, Jahrzehnte nach dem Horror, sitzt der Staatsanwalt, also der Anwalt des Staates, also unser aller, weiterhin an seiner roten Akte und subsumiert auf Juristendeutsch.

„Das Cloppenburger Gericht hat Augenmaß bewiesen.“

Er prüft und prüft und meint es ernst. Schlussendlich sagt er sich, ja, es war Volksverhetzung, und es war strafbar, und es kann verurteilt werden. Also erhebt er Anklage gegen die beiden Jungs und sorgt spätestens jetzt für schlotternde Beine. Beide ahnen: Jetzt kann der Blödsinn bitterböse enden. So war das doch gar nicht gemeint. Wir wollten doch nur ein bisschen singen. Wir haben doch nichts gegen Ausländer. Wir haben’s doch nicht so böse gemeint. Bitte, bitte, lieber Rechtsstaat!

Dieser Rechtsstaat nämlich, hier in Form des altehrwürdigen Cloppenburger Amtsgerichts und in Gestalt der dortigen Jugendrichter, prüft eine Anklage nochmals intensiv und bildet sich dann seine eigene Einschätzung. Ein solches unabhängiges Gericht beugt sich nicht willfährig dem Staatsanwalt, sondern sagt sich auch manchmal: Nein, das reicht uns leider nicht, lieber Staatsanwalt, deine Anklage kannst du wieder mitnehmen. So ist es hier gewesen. Das Cloppenburger Gericht hat Augenmaß bewiesen.

Ein Aufstacheln zu Hass oder Hetze sei nicht erkennbar. Ein bedrohliches Auftreten auch nicht. Und das Absingen sogar dummer Lieder durch Bekloppte ist durch die Sanges- (sprich: Meinungs- ) freiheit gedeckt. Dummheit ist nicht strafbar. Also finis. Hut ab – oder auf Französisch „Chapeau“ – dem Cloppenburger Amtsgericht und seinen Richterinnen und Richtern! Einen solchen Rechtsstaat mag man jedem wünschen. Und den erleichterten sangesfreudigen Jungs sollte mal jemand erläutern, was Gewaltenteilung und ein Rechtsstaat bedeuten.


Zur Person:

  • Otto Höffmann ist Rechtsanwalt in Cloppenburg.
  • Den Autor erreichen Sie unter der E-Mail-Adresse redaktion@om-medien.de.

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