Das Nachrichtenportal vonMünsterländische Tageszeitung MT undOldenburgische Volkszeitung OV

Auf dem Highway ist die Hölle los

Kolumne: Wie es ist, mit dem E-Bike Usedom zu erkunden – und auf welche Stimmung man dort auch treffen kann.

Artikel teilen:

Man braucht schon ein wenig Geduld, um hinzukommen. Usedom liegt ja nicht gerade vor der Haustür. Knapp 6 Stunden veranschlagt der Navigator, am Ende sind es 7. Die Weserbrücke bei Hemelingen wird saniert, da geht es nur im Schritttempo vorwärts. Genau wie rund um Hamburg. Aber dafür ist man am Ende der Tour auch im Osten der Republik – mehr Osten geht nicht.

Machen wir den Realitätscheck des Urlaubseilands, das jährlich bis zu 1,6 Millionen Touristen anzieht. Beim Zeichnen eines Bildes der Insel, die laut Eigenwerbung die „sonnigste“ Deutschlands ist, fällt es schwer, nicht gängige Klischees zu bedienen. Auf der einen Seite die fast 40 Kilometer lange Küstenlinie mit feinem Sandstrand und den mondänen Kaiserbädern Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin, wo der Turbo-Kapitalismus im Sanierungsrausch nach der Wende eine weiße Hotel- und Villenlinie hat entstehen lassen, die sich bis ins florierende polnische Swinemünde zieht. Auf der anderen Seite das landschaftlich durchaus reizvolle Hinterland, in dem die Uhr aber stehen geblieben scheint und an die DDR erinnert, was durch vereinzelt auftauchende Fahnen mit Hammer und Sichel dokumentiert wird.

Wir waren in der vergangenen Woche vor Ort und hatten die E-Bikes mit – so lässt sich Usedom am besten erkunden. Von besonderem Reiz ist die Strecke von Bansin hoch bis Peenemünde, die fast durchgängig am Meer entlangführt, weite Blicke auf die Ostsee ermöglicht, aber auch hügelige Waldpassagen zu bieten hat.

„Getrübt wird das Fazit allerdings durch häufig mürrische, mitunter unfreundliche und oft unzufrieden wirkende Gastgeber und Einheimische.“

An sonnigen Tagen ist auf dem Radler-Highway die Hölle los. Am stärksten vertreten die Pedelec-Fraktion – was Sinn macht, denn der Parcours hat auch Steigungen bis zu 16 Prozent im Angebot. Bei entsprechenden Abfahrten heißt es auf einem Schild „Radfahrer absteigen“; keiner hält sich dran. Es ist ein buntes Völkchen, das da in die Pedale tritt: die jungen Eltern, die ihre Kids im Anhänger hinter sich herziehen; die zumeist sehnigen und voll gepackten Zeitgenossen, die hier eine Etappe des Fernradweges Berlin – Usedom zurücklegen und natürlich auf „Bio-Bikes“ ohne elektrische Unterstützung unterwegs sind – ebenso wie der professionell ausgerüstete Rennradler im „Quick-Step“-Trikot.

Auf dem Abschnitt mit einem 7 Kilometer langen Natur-Campingplatz schlängeln sich E-Scooter-Artisten durch einen Korso sich oft überschätzender Senioren; eine Waldschänke („Aperol – noch 950 Meter“) verspricht Labsal ebenso wie eine Gaststätte namens „Spelunke“, die mit „0,4 Lübzer für 3,80 Euro“ wirbt; nebenan besingt ein kerniger Shanty-Chor den „Weißen Ozean“.

Was wir am Ende feststellen: eine wunderschöne Insel, ausgezeichnete Infrastruktur in Meeresnähe, bleibende optische Eindrücke. Getrübt wird das Fazit allerdings durch häufig mürrische, mitunter unfreundliche und oft unzufrieden wirkende Gastgeber und Einheimische. Hinter der glänzenden Fassade scheint viel Frust zu stecken, was sich auch im Ergebnis bei der letzten Bundestagswahl manifestiert, als über 50 Prozent der Zweitstimmen auf die AfD entfielen.

Dass diese hohe Quote Auswirkung auf den Tourismus hat, glauben die Verantwortlichen nicht. Ein Kurdirektor im NDR-Fernsehen: „80 Prozent unserer Gäste auf Usedom kommen aus den neuen Bundesländern. Da gehört die Parteifarbe Blau längst zum Alltag.“

So weit ist es gekommen – armes (Ost-)Deutschland!


Zur Person:

  • Alfons Batke blickt auf eine über 40-jährige journalistische Laufbahn zurück.
  • Er lebt als freier Ruheständler in Lohne.
  • Den Autor erreichen Sie unter redaktion@om-medien.de.

Gut und kompakt informiert zum Feierabend: Abonnieren Sie jetzt kostenlos unseren neuen WhatsApp-Kanal und erhalten den Newsletter „N'Abend, Oldenburger Münsterland“. Und nicht vergessen, die Benachrichtigungen auf dem Glocken-Symbol zu aktivieren! Hier geht es direkt zum WhatsApp-Kanal

Hier klicken und om-online zum Start-Bildschirm hinzufügen

Auf dem Highway ist die Hölle los - OM online