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An Gott glaubt doch niemand mehr...

Kolumne: Auf ein Wort – Kann man an Gott glauben, ohne eine Beziehung zu Gott zu haben?

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Sie war 8 Jahre alt, 2. Klasse Grundschule. Religionsunterricht. Ein vorwitziges Bürschchen erlaubte sich im Gespräch über ‚Glauben an Gott‘ den Hinweis: „An Gott glaubt doch sowieso niemand mehr.“ Sie rief dazwischen: „Doch, ich.“

In wenigen Augenpaaren leuchtete Anerkennung: Boah, die traut sich was! Als unser vorwitziges Bürschchen dann johlte: „Zeig uns doch mal Gott!“, lachten fast alle.

Dann kam die Kleine nach Hause. Und wie das manchmal so ist, bis zur Haustür können alle Tränen zurückgehalten werden, aber wenn Mutter dann die Tür öffnet, bröckelt der Damm, das Wasser bricht sich Bahn und unter Schluchzen ertönt es: „Ich geh nie wieder in die Schule.“

Wir haben versucht, ihr beim Mittagessen deutlich zu machen, dass sie für uns zuerst einmal ein ganz starkes Mädchen ist, weil sie zu ihrer Überzeugung gestanden hat. Was ihr sichtlich schwerfiel zu verstehen, war, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass in den Familien mit Gott gelebt wird, ja, dass es eben auch Familien gibt, die Gott eher ablehnen.

„Wie reagiert man denn auf die Frage, wenn man herausgefordert wird, Gott zu zeigen, Gott sichtbar zu machen?“Jörg Schlüter

Als meine Frau und ich abends zusammen saßen, kam das Thema noch einmal zur Sprache. „Weißt du“, eröffnete sie das Gespräch, „von dir erwartet man, dass du von Gott redest. Du bist Pastor. Erinnere dich, wie so manches Mal ihre älteren Geschwister in der Schule auf Fragen im Religionsunterricht angesprochen worden sind: Du musst das doch wissen, dein Vater ist Pastor! Und wenn sie gut drauf waren, haben sie geantwortet: Mein Vater ja, aber ich nicht! Und wenn sie nicht gut drauf waren, haben sie die Worte kommentarlos geschluckt und gelitten.“ Pause. „Wie reagiert man denn auf die Frage, wenn man herausgefordert wird, Gott zu zeigen, Gott sichtbar zu machen?“

"Es kommt auf mein Gegenüber an. Ist er wirklich an der Frage nach Gott interessiert, hat Freude an einem intensiven Gespräch, oder macht es ihm nur Spaß, mich mit seiner Frage vorzuführen? Ist es mit Gott nicht so, wie mit der Liebe. Ein wissenschaftlicher Vortrag über die Liebe mag sehr interessant sein. Man kann lernen, welche Botenstoffe dafür verantwortlich sind, dass es im Bauch kribbelt, der Atem schneller geht; aber macht dich der Vortrag allein glücklich? Wenn Du aber liebst, in einer Beziehung lebst und spürst, was diese Liebe mit dir macht; dass Händchenhalten auf einmal etwas ganz anderes ist, als früher an der Hand von Mutter und Vater zu gehen, dann könntest du die ganze Welt umarmen. Die Beziehung macht dich glücklich. Es gibt unterschiedliche Zugänge, an Gott zu glauben. Aber geht Glaube ohne Beziehung zu Gott?"


Zur Person:

  • Jörg Schlüter ist evangelischer Pfarrer im Ruhestand
  • Sie erreichen den Autor per E-Mail unter: redaktion@om-medien.de.

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