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Als Caesar die Statue des Pompejus ganz ohne KI durchbohrte

Gästebuch: Künstliche Intelligenz bedeutet nicht automatisch schlau. Gleiches gilt fürs Auswendiglernen. Und wie steht's eigentlich mit der Allgemeinbildung – trotz KI und Büffeln?

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Auswendiglernen galt einst als praktikable Lösung, sich einen schwierigen Text zumindest scheinbar anzueignen. Büffeln, pauken, abfragen. Irgendwann hat man’s intus. Aber nur scheinbar. Denn ob es richtig begriffen worden ist, steht in den Sternen oder auf Wolke 7. Der eine konnte es eben besser behalten als der andere. Nur hatte das mit dem Inhalt oft wenig zu tun.

Das Internet wird auch ziemlich überschätzt. Noch vor wenigen Jahren gab eine Ex-Kanzlerin eine solche Einschätzung von sich und hatte damit ebenso wenig Recht wie in manch anderen wichtigen Dingen. Auswendig lernen ist heute so was von uncool. „Ich weiß doch, wo ich nachschauen muss“, berichtet Cloppenburgs CAG-Leiterin von ihren Schützlingen.

Internet, KI, ChatGPT: Diese Ungeheuer bedrohen die Allgemeinbildung, sind sich die beiden gymnasialen Leiterin/Leiter Cloppenburgs einig. Um starke Worte kaum verlegen, malen sie eine „Operation am offenen Herzen“ an die Schulwand. Warnende Worte vor dem Weltuntergang statt offener Begrüßung für die neue Welt durch positive Bewertungen. Dabei ist es doch nur eine andere Form von Bildung oder Intelligenz. Künstlich war das reine Pauken, das stundenlange Auswendiglernen ebenso. Kein Ausweis für Schlauheit, Intelligenz oder Bildung. Eher eine Bestrafung ähnlich wie zehnmal schreiben „Wie oft muss man was lesen, um es auswendig zu kennen?“

"Alexa ist nicht intelligent. Sie ist weder gebildet noch besonders schlau."

Otto Höffmann

Alexa ist nicht intelligent. Sie ist weder gebildet noch besonders schlau. Sie hat millionenfach gespeichertes Wissen, das abgerufen werden kann. Der Unterschied zwischen scheinbar und anscheinend ist ihr schleierhaft. Wenn Cloppenburgs ULF-Chef die Gefahren von ChatGPT am Beispiel des Aufsatzthemas „Wie beurteilen Sie den Palmölanbau in Indonesien?“ dramatisiert, fragt man sich doch: Wen interessiert's? Reines Abfragewissen wird auch überschätzt. Inhaltliche Auseinandersetzung tut not. Wenn ich wissen will, wie die Flagge Mexikos aussieht, google ich.

Beruhigend ist, dass ChatGPT trotz 300 Milliarden Worte und 175 Milliarden Parameter im Gepäck sich schwer tun soll, Theodor Storm und Theodor Fontane an ihren Schreibstilen zu unterscheiden. Es wird dann so getan, als ob und irgendein gequirlter Unsinn ausgeschieden.

Das erinnert angenehm an den früheren CAGler, der beim Altphilologen Günther Voet (übliche Begrüßung: „Ihr seid alle wie Kaffernbüffel“) einen lateinischen Satz übersetzen sollte. Die richtige Übersetzung lautete „Caesar sank, von vielen Stichen durchbohrt, vor der Statue des Pompejus nieder“. Der überforderte CAGler hatte sich völlig ohne KI-Hilfe nach eingehendem Nachdenken für folgende Übersetzung entschieden „Caesar durchbohrte die Statur des Pompejus, bevor er sie zusammenschlug“. Besser hätte das ChatGPT trotz Milliarden Speicher auch nicht hingekriegt. Das Abitur gelang dennoch.


Zur Person:

  • Otto Höffmann ist Rechtsanwalt in Cloppenburg.
  • Den Autor erreichen Sie unter der E-Mail-Adresse redaktion@om-medien.de.

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