Albert Schweitzer, Jesus und die fixen Ideen
Kolumne: Auf ein Wort – Fixe Ideen gibt es nicht nur in der Psychiatrie. Sie kommen auch im Raum der Religion und im sonstigen Leben vor.
Dr. Marc Röbel | 15.04.2025
Kolumne: Auf ein Wort – Fixe Ideen gibt es nicht nur in der Psychiatrie. Sie kommen auch im Raum der Religion und im sonstigen Leben vor.
Dr. Marc Röbel | 15.04.2025
Eine Frau kommt zum Psychiater in die Sprechstunde: „Herr Doktor, ich fürchte, meine Tochter leidet an einer fixen Idee. Sie hält sich für ein Huhn.“ „Und wie lange geht das schon so?“, fragt der Arzt. „Seit 3 Jahren.“ „So lange schon? Und dann kommen Sie erst jetzt?“ Die Frau entschuldigt sich: „Wir haben die Eier dringend gebraucht.“ Der Witz zeigt, dass sich fixe Ideen lange halten können und dass manche fixe Ideen übertragbar sind. Fixe Ideen gibt es nicht nur in der Psychiatrie. Sie kommen auch im Raum der Religion und im sonstigen Leben vor. Über dieses spannende Thema hat Albert Schweitzer 1913 seine medizinische Doktorarbeit geschrieben. Albert wollte wie sein Vater evangelischer Pfarrer werden und hat darum Theologie und Philosophie studiert. Aber in ihm gab es auch diese faszinierende fixe Idee, nach Afrika zu gehen und dort Kranke zu heilen. Also hat er noch Medizin studiert und dabei ein großes Thema erforscht: War dieser Jesus von Nazareth eigentlich geistig gesund? Und ist seine Botschaft eine Lehre, die dem Leben dient? Oder folgen wir als Christen einem Hirngespinst, einer kranken Idee, einem Wahnsystem? Die Arbeit trägt den etwas frechen Titel „Die psychiatrische Beurteilung Jesu“. „Holen wir vor Ostern doch einmal unsere dunkelsten Glaubenssätze aus ihren Verstecken, die weltanschaulichen, die politischen und die persönlichen.“ Schweitzer widerlegt psychiatrische Untersuchungen der damaligen Zeit, die Jesus als pathologischen Fall darstellen wollen. Der Arzt und Theologe Schweitzer macht deutlich: Da ist etwas, das Jesus von pathologischen Sektenführern, aber auch von narzisstischen Erlöserfiguren wie Donald Trump unterscheidet: Jesus stellt sich nicht selbst in den Mittelpunkt. Wenn andere ihn den Messias nennen, gebietet er ihnen zu schweigen. Das Kreuz, das wir am Karfreitag in den christlichen Gemeinden verehren, macht eine andere Stärke sichtbar: die Macht seiner ohnmächtigen Liebe. Sie kann uns von falschen Glaubenssätzen befreien. Es müssen keine religiösen Sätze sein, die unser Denken einengen. Manchmal sind es Selbstverurteilungen („Ich bin ja doch nichts wert“), Selbstverherrlichungen („America first“) oder die Herabsetzung anderer. Über welchen Glaubenssätzen brüte ich eigentlich? Sie können sicher sein: Wenn es Sätze sind, die andere oder mich selbst abwerten oder uns den Lebensmut rauben, dann sind es keine Sätze, die aus dem Geist Gottes stammen – auch wenn sie noch so fromm klingen mögen. An Ostern holen viele Kinder wieder die bemalten Eier aus ihren Verstecken: Zeichen des neuen Lebens. Ein Vorschlag für Erwachsene könnte sein: Holen wir vor Ostern doch einmal unsere dunkelsten Glaubenssätze aus ihren Verstecken, die weltanschaulichen, die politischen und die persönlichen. Die Karwoche und die Ostertage könnten dazu einladen, die „Gesundheit“ unserer eigenen Glaubenssätze zu überprüfen.Zur Person
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