Allein schon der Name. Wie will man denn mit einem solchen Vornamen Karriere in der deutschen Schlagerwelt machen? Warum nicht Bernhard (Brink) oder Peter (Alexander)? Warum nicht Freddy (Quinn) oder Michael (Holm)? Oder sonst irgendein Allerweltsname? Aber ausgerechnet Drafi! Ein Ausländer vielleicht? Wie Ivo? Oder Bata?
Aber nein, kein Ausländer. Ein richtiger gebürtiger Deutscher, der nicht nur in Berlin-Charlottenburg das Licht der Welt erblickte und damit Deutscher war, sondern auch noch so hieß: Drafi Deutscher. Erfolg hatte er trotz des Vornamens, und das bis auf den heutigen Tag. Obwohl sein größtes Ding mehr als ein halbes Jahrhundert her ist.
Gesungen hat er viel und komponiert noch viel mehr. Heute würde man sagen, er lebte ein verrücktes Leben mit vielen Hochs und Tiefs, und die meisten Nachgeborenen werden mit seinem Namen wenig anfangen können. Wem ist schon ein so langes Leben vergönnt wie einem Freddy Quinn, der über 90 Jahre alt ist und trotz österreichischer Herkunft immer noch auf den „Jungen von der Waterkant“ macht, der doch endlich wieder zu Muttern zurückkommen soll, weil die sich doch so viele Sorgen macht.
Mehr als ein „lalala-la-lalala, dam-dam, dam-dam“ hat Drafi Deutscher nicht zum Hit beigetragen
Doch was wird heute noch auf fast sämtlichen Feiern, Feten, Festen von Barßel bis Bakum gefordert und zu vorgerückter Stunde lauthals mitgesungen? Natürlich „Marmor, Stein und Eisen bricht“ von Drafi Deutscher. Der Song ist nicht totzukriegen. Als vor Jahrzehnten Lokale wie Sieger in Thüle oder Tiemerding in Hausstette sonnabends Livemusik boten, gehörte Drafi Deutscher zum festen Programm. Ohne ihn ging gar nichts.
Dabei hatte der Berliner das Stück gar nicht selbst komponiert. Obwohl er in seinem Musikerleben mehr Stücke für andere Sängerinnen und Sänger geschrieben als selbst gesungen hatte. Im Wikipedia-Eintrag heißt es: "Die Melodie schrieb Christian Bruhn, der Text stammt von Günter Loose." Der Komponist Bruhn erinnert sich in seiner Autobiografie anders.
Drafi Deutscher, damals 19 Jahre alt, sei in die Firma des Berliner Produzenten Peter Meisel gekommen. Dort liegt eine Gitarre, die er sich greift und singt „lalala-la-lalala, dam-dam, dam-dam“. Das soll's gewesen sein, was der Sänger zur Entstehung des Stückes beisteuerte. Den Rest besorgten andere.
„Doch was hat Deutschers Ohrwurm mit Paul Lincke zu tun? Und wer ist das überhaupt?“
Doch was hat Deutschers Ohrwurm mit Paul Lincke zu tun? Und wer ist das überhaupt? Paul Lincke war ein deutscher Komponist und Theaterkapellmeister. Er gilt als Vater der Berliner Operette und war für Berlin damals ungefähr so bedeutend wie Johann Strauß für Wien und Jacques Offenbach für Paris, sagen die Musikexperten. Kennen Sie nicht? Aber die „Berliner Luft“, die kennt jeder oder andere Lieder wie „Schenk mir doch ein kleines bißchen…“
Zu angestaubt? Gemach, es kommt noch besser. In einem Walzer-Lied aus dem Jahre 1905 von Paul Lincke komponiert und einem Herrn Bolten-Baeckers getextet, heißt es vor ewigen Urzeiten „Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken. Marmor, Stahl und Eisen bricht. Aber treue Liebe nicht“. So hat es jetzt Christian Bruhn der Süddeutschen Zeitung erzählt. „Stahl“ klang zu martialisch und passte in den 60er Jahren nicht mehr in die Zeit. So wurde aus „Stahl“ der neutralere „Stein“ und Drafi Deutscher landete einen Hammer-Hit. Mehr als 800.000 Tonträger sollen verkauft worden sein.
„Weine nicht...“ beginnt der Schlagertext. Zum Weinen hatten die Beteiligten keinen Grund. Vielmehr gut lachen. Sie waren beteiligt an einem der erfolgreichsten Hits der Nachkriegszeit und gingen mit einem einfachen „Dam-Dam“ in die bundesdeutsche Schlagergeschichte ein. „Alles, alles geht vorbei...“ heißt es in Drafi Deutschers Ohrwurm. Aber wenn eines nicht stimmt, dann gilt das für die Erfolgsstory dieses Songs.
Zur Person:
- Otto Höffmann ist Rechtsanwalt in Cloppenburg.
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