Die Sorgenfalten bei den Mitarbeitern waren ebenso groß wie die Empörung der IG Metall, als ZF Friedrichshafen im Juli vergangenen Jahres ankündigte, bis Ende 2028 etwa 11000 bis 14000 der insgesamt 54000 Arbeitsplätze in Deutschland streichen und alle Standorte auf ihre Wettbewerbsfähigkeit hin prüfen zu wollen. Vor allem die Ungewissheit, welcher Standort in welchem Ausmaß betroffen sein wird, sorgte für Unruhe. Denn konkrete Zahlen wurden lange nicht genannt. Inzwischen ist klar: Am Multidivisionsstandort Lemförde mit den Werken Dielingen, Diepholz, Lemförde und Wagenfeld sollen bis 2028 etwa 110 Stellen wegfallen, wie ein Unternehmenssprecher auf Nachfrage der Mediengruppe Kreiszeitung erklärt.
„Wir gehen davon aus, diese Zahlen sozialverträglich durch die verkündeten oder bereits umgesetzten Maßnahmen, sowie durch natürliche Fluktuation, Aufhebungsvereinbarungen oder Altersteilzeit erreichen zu können. Im Falle der Altersteilzeit werden die Stellen nicht neu besetzt“, so der Pressesprecher. „Da es sich bei der Altersteilzeit jeweils um mehrjährige und individuelle Laufzeit handelt, kann die personelle Anpassung am Standort entsprechend gut geplant und aktiv gesteuert werden.“
Wie berichtet, hatten alle Beschäftigten bis einschließlich Jahrgang 1968 die Möglichkeit, bis Ende 2024 ein Altersteilzeitangebot des Unternehmens anzunehmen. Die Annahmequote liege im erwarteten Rahmen, erklärt der Pressesprecher. Konkrete Zahlen nennt er auf Nachfrage allerdings nicht.
Geplante Stellenkürzungen eine „moderate Personalanpassung“ bei ZR Friedrichshafen
Er ordnet die geplanten Stellenkürzungen als „moderate Personalanpassung“ ein. Dem Standort komme zugute, dass ZF hier bereits „die Weichen in eine wettbewerbsfähige Zukunft“ gestellt und wichtige strukturelle Maßnahmen unternommen habe.
Dazu gehören wie berichtet die Schließung des Werks Damme und die Verlagerung profitabler Produktgruppen von dort an andere MDS-Standorte, der Verkauf der Produktlinie Electronic Interfaces, die Überführung des Achssystemgeschäfts in ein Joint Venture mit dem taiwanesischen Elektronikkonzern Foxconn, die Konsolidierung der Werke Wagenfeld und Diepholz, die mit jetzt einer gemeinsamen Führung enger zusammenarbeiten, und die Ansiedelung innovativer Kunststofftechnologie. Letzteres sei ein Bereich, in den stark investiert wurde und bei dem die Produktion in Diepholz weiter ausgebaut werden soll, so der Pressesprecher.
Unabhängig vom aktuellen Altersteilzeit-Angebot hat sich die Zahl der Beschäftigten in der Dümmer-Region seit vergangenem Jahr bereits verringert. Im Sommer bezifferte das Unternehmen die Mitarbeiterzahl noch mit rund 2600. Dabei waren der Verkauf von Electronic Interfaces an Aequita, die Gründung des Joint Ventures mit Foxconn sowie der Auszug aus dem Standort Damme bereits berücksichtigt, durch die etwa 400 Stellen ausgelagert und 200 Stellen des Dammer Standortes über Auflösungsverträge oder Altersteilzeitlösungen gestrichen wurden.
Aktuell beziffert das Unternehmen die Beschäftigtenzahl am Multidivisionsstandort Lemförde mit 2500. In dieser Zahl seien nur die aktiven Mitarbeiter berücksichtigt, erläutert der Pressesprecher. Also weder Mitarbeiter in Elternzeit noch die Beschäftigten, die im Rahmen früherer Altersteilzeit-Programme nun in die Ruhephase eingetreten sind. „Es gab auch einige Mitarbeiter aus Damme, die über den offiziellen Schließtermin hinaus noch eine gewisse Zeit im Unternehmen waren. Des Weiteren variiert die Zahl auch durch Fluktuation und ,normale‘ Rentenabgänge“, erklärt der Pressesprecher den Rückgang.
Betriebsrat: Dümmer-Region relativ glimpflich davon gekommen
„Das Ganze hat sich ein bisschen beruhigt. Der Druck ist ein bisschen raus“, sagt Wilhelm Kenneweg, Betriebsratsvorsitzender im Wagenfelder Werk, auf Nachfrage zu den Entwicklungen der vergangenen Monate. Nach seiner Einschätzung ist die Dümmer-Region relativ glimpflich davongekommen. „Was uns momentan trifft, ist eher die konjunkturelle Situation“, sagt Kenneweg mit Blick auf die zunehmend schwierige Situation der Autohersteller in Deutschland.
Darüber hinaus wird die Betriebsräte der einzelnen Standorte in diesem Jahr die Frage beschäftigen, wie es nach 2026 weitergeht. Denn Ende kommenden Jahres läuft der vereinbarte Kündigungsschutz für die Mitarbeiter aus. Gespräche dazu mit der Geschäftsführung sollen noch in diesem Jahr starten.
Heiko Knüpling, ebenfalls Teil des Wagenfelder Betriebsrats, lobt den guten Umgang zwischen Führungsteam, Betriebsrat und Mitarbeitern in den Standorten der Dümmer-Region. „Der Zusammenhalt ist immer noch da. Das ist die wichtigste Basis.“ Gerade am Standort Wagenfeld erlebt er das Miteinander als sehr harmonisch. Und wenn das Miteinander passe, könne man vieles mittragen.