Das Bewerbungsverfahren kann oft nur einen kleinen Einblick geben, die ersten Wochen schaffen mehr Klarheit. Tipps für eine gute Landung – und einen angemessenen Umgang mit den Erwartungen anderer. Prof. Dr. Annette Kluge, Arbeits- und Organisationspsychologin an der Ruhr-Universität Bochum und Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), und Bastian Hughes, Karrierecoach bei den Berufsoptimierern und Podcast-Host, beantworten Fragen rund um einen gelungenen Einstand.
Warum sind die ersten 100 Tage im Job so wichtig?
„Die ersten Wochen im neuen Job sind wahnsinnig wichtig, weil sie mir dabei helfen zu entscheiden, ob der Job, das Unternehmen und das Team zu mir passen oder nicht“, sagt Bastian Hughes.
Durch diverse Studien sei inzwischen belegt: Aspekte wie Einkommen, Aufgabenbereich oder auch kürzere Arbeitswege und Co. verlieren an Bedeutung, wenn sich im Job trotzdem kein Wohlbefinden einstellt. Es sei die subjektive Wahrnehmung der neuen Stelle, die alles entscheidet, so der Karriereberater.
Wie gelingt ein guter Start?
Ein guter Start fängt schon vor dem ersten Arbeitstag an, sagt Bastian Hughes. Er rät deshalb, möglichst frühzeitig und offen über das Thema Erwartungen zu sprechen. Denn der häufigste Grund für Frust in den ersten Monaten im Job seien unerfüllte Erwartungen: Was verspricht sich mein Arbeitgeber von mir? Was erwarte ich von dem Job? „Das sollte ich schon vor dem Start herausfinden“, so Hughes.
Ein neuer Job ist auch immer eine Chance, um sich selbst neu zu erfinden. Ein Tipp von Bastian Hughes: Wenn es um die persönliche Entwicklung geht, kann man sich selbst einen Brief schreiben und darin die Aspekte ausformulieren, die man am eigenen Verhalten ändern möchte. Das könne dabei helfen, sich selbst besser zu reflektieren. Laut Kluge sind in den ersten Tagen und Wochen dann vor allem drei Dinge wichtig: beobachten, zuhören und nachfragen.
Meistens gebe es in Unternehmen viele informelle Regeln, Normen und Werte, die nirgendwo aufgeschrieben sind, sondern Stück für Stück erlernt werden müssen – etwa wenn es um die Führungs- oder Teamkultur geht. „Nachfragen zeigt nicht nur Interesse, sondern auch, dass jemand bereit ist und verstehen will, wie die Dinge in diesem Unternehmen laufen“, so Kluge.
Auch wichtig: Gerade in den ersten 3 Monaten sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßige Feedbackgespräche mit ihren Vorgesetzten einfordern, raten die Experten. Das helfe dabei, Fragen zu klären und Unsicherheiten abzubauen.
Was hilft beim Ankommen im neuen Team?
Der oder die „Neue“ im Team zu sein, ist nicht immer nur angenehm und geht durchaus auch mit prüfenden Blicken der Kollegen einher. Was es leichter macht: ehrliches Interesse zeigen, Offenheit und die Bereitschaft Fragen zu stellen. Und: „Was ebenfalls gut im Team ankommt, ist sogenanntes Extrarollen-Verhalten, das nicht explizit im Arbeitsvertrag steht“, sagt Kluge.
Damit sind insbesondere Arbeiten gemeint, die dem Team als Ganzem zugutekommen: etwa das Ausräumen der Spülmaschine oder die Organisation von Firmen-Veranstaltungen. So etwas wirke wie „Schmierstoff für ein gutes Miteinander“, sagt Annette Kluge.
Außerdem helfen Teamevents außerhalb der Arbeitszeit, um sich besser kennenzulernen. Bastian Hughes empfiehlt, sich möglichst schon vor Arbeitsantritt zu solchen Gelegenheiten einladen zu lassen. Und: Wer ausschließlich remote arbeitet, müsse sich proaktiv um ein Treffen bemühen. „Ich kann dann nicht davon ausgehen, dass die anderen Teammitglieder auf mich zukommen“, rät Hughes.
Überperformance als Falle: Wie viel Einsatz ist genug?
Der erste Eindruck soll gut sein – bestenfalls sogar mehr als das. Doch zu viel Engagement kommt selten gut an. Untersuchungen aus den 1920er Jahren zeigten, dass eine Gruppe es nicht gut findet, wenn jemand dazu kommt und die Gruppennorm verändert, indem er oder sie übermäßig schnell oder viel arbeitet, sagt Kluge.
In jeder Organisation gebe es Gründe, warum Dinge auf eine bestimmte Weise angegangen würden. Es würde oft als respektlos empfunden, wenn jemand ohne Vorkenntnis der Geschichte alles infrage stellt, sagt die Psychologin. Tipp: „Ich sollte die Perspektive wechseln und schauen, was das Unternehmen von mir braucht, um festzustellen, dass ich richtig für die Position bin“, sagt Sebastian Hughes. Das reguliere die Tendenz des Überperformens. Und er rät: zunächst vor allem hinsehen und verstehen, „der Veränderungsgedanke sollte erst mal nach hinten gestellt werden“. Laut Hughes gelte das auch für Führungskräfte.