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Sarah Dhem aus Lastrup ist die OM-Zukunftsmacherin 2022

Sie ist 4-fache Mutter und Unternehmerin. Als Zukunftsmacherin wünscht sie sich für Frauen mehr Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

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Versteht ihr Handwerk: Sarah Dhem ist Fleischermeisterin und kümmert sich im elterlichen Betrieb unter anderem um die Produktvermarktung. Foto: Wienken

Versteht ihr Handwerk: Sarah Dhem ist Fleischermeisterin und kümmert sich im elterlichen Betrieb unter anderem um die Produktvermarktung. Foto: Wienken

Mit festem und entschlossenem Schritt läuft Sarah Dhem durch den Familienbetrieb – das nächste Ziel immer fest im Blick. Wenn sie unterwegs im Unternehmen ist, führt sie Mitarbeitergespräche oder stellt den Kunden die Produktpalette vor – von der Fleischverarbeitung bis in die Ladentheke, denn Sarah Dhem versteht ihr Handwerk. Die Diplom-Kauffrau und Fleischermeisterin arbeitet bei Schulte in Lastrup. Mit "Kalieber" hat die 43-Jährige 2015 zudem eine Premium-Marke für Fleischprodukte mit auf den Weg gebracht. Seit 2004 ist sie Geschäftsführerin im Familienunternehmen, zusammen mit ihrem Vater Werner Schulte.

Nach dem Abitur studierte die Lastruperin zunächst Betriebswirtschaftslehre. Das Studium brach sie jedoch nach 3 Semestern ab. "Mein Vater hat mich dann zur Hausmesse eines Kunden mitgenommen und dort habe ich dann gemerkt: Das möchte ich machen. Ich möchte genau mit diesen Menschen aus der Fleischbranche zusammenarbeiten", erzählt Dhem. Es folgte von 2000 bis 2002 eine Lehre zur Industriekauffrau bei Rügenwalder. Und damit sie bei speziellen Fragen von Kunden zum Produkt genau weiß, wovon sie spricht, absolvierte die 43-Jährige zusätzlich eine Ausbildung zur Fleischerin. So ging Sarah Dhem von 2002 bis 2004 bei Artland in Badbergen in die Lehre.

Als Fleischerin einen Ausbildungsplatz zu finden, gestaltete sich damals zunächst jedoch schwieriger als gedacht. „Ich musste viele Betriebe abgrasen. Dort hieß es dann unter anderem: ‚Wie, Sie wollen hinten in der Produktion bei den Männern arbeiten? Ich weiß nicht, wie ich das den Jungs hinten erklären soll.‘ Da meinte ich dann: ‚Gebt mir 'ne Kiste Bier und 10 Minuten Zeit, dann erkläre ich ihnen das‘“, erinnert sich Sarah Dhem schmunzelnd. Aber – keine Chance. Erst beim Pflastern auf dem Hof eines Freundes ergab sich die Gelegenheit. Einige Tage später erhielt Dhem einen Anruf: "Wer so den Hof pflastern kann, kann auch eine Ausbildung zur Fleischerin machen. Du kannst dich mal bei Artland vorstellen", habe der Anrufer ihr geraten, da er dort mal in der Fleischbeschau war. Der Tipp war gut; Sarah Dhem bekam die Stelle.

Dhem ist nicht nur Karrierefrau, sondern auch 4-fache Mutter

Neben dem einen oder anderen Vorurteil war die körperliche Arbeit während der Ausbildung eine Herausforderung für die Lastruperin. Im elterlichen Betrieb hatte Sarah Dhem zwar schon häufiger im Versand mitgearbeitet, aber die tagtägliche Belastung war dann doch etwas anderes. "Während meiner Ausbildung musste ich zweimal am Handgelenk operiert werden. Der Job war zwar anstrengend, aber ich wollte das durchziehen", so Dhem. Gesagt, getan: Nach der Lehre absolvierte sie direkt die Meisterschule und nahm noch als Azubine ihr Studium wieder auf, das sie 2006 abschloss.

Sarah Dhem ist allerdings nicht nur Karrierefrau, sondern auch 4-fache Mutter. "Ich brauche einen gewissen Trubel im Leben, sonst bin ich nicht glücklich", sagt die 43-Jährige lächelnd. Während der Schwangerschaft habe sie immer bis zu den Wehen gearbeitet. Wenn es ihr mal nicht so gut ging, hatte sie die Möglichkeit, früher Feierabend zu machen. Keiner habe sich dabei eingemischt, sagt die Lastruperin. Das sei ein großer Glücksfall gewesen und nicht selbstverständlich. Eltern bräuchten diese Flexibilität – auch noch nach der Schwangerschaft, so Dhem. Dieses Verständnis wünschte sie sich daher auch von anderen Arbeitgebern und der Gesellschaft im Allgemeinen.

Ist gegen eine Frauenquote: Die Lastruperin Sarah Dhem findet, dass einzig und allein die Kompetenzen einer Person zählen sollten. Foto: WienkenIst gegen eine Frauenquote: Die Lastruperin Sarah Dhem findet, dass einzig und allein die Kompetenzen einer Person zählen sollten. Foto: Wienken

Denn dort gebe es noch Nachholbedarf. "Als zum Beispiel mein erster Sohn geboren wurde, wurde meinem Vater damals auf die Schulter geklopft, mit den Worten: 'Gott sei Dank, ein Junge, dann hast du ja jemanden für die Firma'", erzählt Sarah Dhem. Ihr Vater Werner Schulte habe seinem Gegenüber damals geraten, nochmal genau über diese Worte nachzudenken, schließlich habe er mit seiner Tochter nichts falsch gemacht. Die 43-Jährige sah sich durch dieses Beispiel darin bestätigt, dass die "alten" Geschlechterrollen nach wie vor in den Köpfen vieler Menschen stecken und der Weg noch ein weiter ist.

Frauen stehen zu oft vor der Entscheidung: Kind oder Karriere

Problematisch sieht sie vor allem das Kind-oder-Karriere-Denken, also die Vorstellung, als Frau müsse man sich für eines der Dinge entscheiden. "Auch wenn meine Kinder fremd betreut waren, habe ich viel von ihnen gehabt", erklärt Sarah Dhem. Denn nur weil eine Frau Wert auf ihre Karriere lege, sei sie noch längst keine 'Rabenmutter'. Da Dhems Mann Mirko zudem ebenfalls im Unternehmen arbeitet, konnten sich die beiden immer absprechen, was Früh- und Spätdienste anging. "Wenn ich dann zu Hause war, konnte ich mich voll und ganz auf meine Kinder konzentrieren", sagt die 43-Jährige.

Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen, brauche es keine Quote. "Das Geschlecht darf dabei kein Thema sein. Vielmehr sollte es um die Kompetenzen der Person gehen", findet Sarah Dhem. Und auch wenn sie als Frau viel zu sagen habe, heiße das nicht, ihr Mann hätte zu Hause nichts zu melden – im Gegenteil: "Mirko gilt als 'Zentrum der Macht', nicht nur in der Firma. Er behält den Überblick und fängt mich gegebenenfalls wieder ein, falls meine Ideen nicht umgesetzt werden können", betont die Lastruperin.

Als Zukunftsmacherin im Oldenburger Münsterland wünscht sich die 43-Jährige, dass sich Frauen, die etwas erreichen wollen, nicht von blöden Sprüchen oder dem 'Gender-Wahnsinn' verunsichern lassen. Stattdessen rät sie allen ambitionierten Frauen: "Ich muss wissen, was ich will und sollte daran festhalten. Schließlich ist ohne Ziel der Weg egal." Und auch Frauen, die schon eine Führungsposition haben, seien gefragt: Nur mit gegenseitiger Unterstützung könne sich letztlich nachhaltig etwas ändern in der Gesellschaft.

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