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Das Gastgewerbe sucht weiterhin nach qualifizierten Fachkräften

Das schlechte Image der Branche ist unbegründet. Häufig können Azubis sich den Arbeitgeber aussuchen.

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Gefragte Fachkraft: Hannah Lehnert ist angehende Hotelkauffrau im Hotel Hilton in Berlin. Foto: dpa/Ludwig

Gefragte Fachkraft: Hannah Lehnert ist angehende Hotelkauffrau im Hotel Hilton in Berlin. Foto: dpa/Ludwig

Schon vor der Pandemie waren die Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe schwierig. Nun verschärft der Personalmangel die Probleme. Die Branche versucht einen Neuanfang für die Ausbildung. Was müssen angehende Azubis jetzt beachten?

„Der Ausbildungsmarkt war schon vor der Pandemie wirklich, wirklich schwierig“, sagt Christoph Schink, der in der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) das Referat Gastgewerbe leitet. Seit 2011 habe sich die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Gastgewerbe halbiert. „Alle haben vom Fachkräftemangel gesprochen, aber es hat sich nicht wirklich etwas verändert.“

Pandemie hat Ausbildungszahlen in den Keller gehen lassen

Mit der Corona-Pandemie und dem damit einhergehenden Beherbergungsverbot sowie der Schließung der Berufsschulen seien die Ausbildungszahlen „weiter in den Keller gegangen“, sagt Schink. „Und die, die schon da waren, sind zum Teil auch gegangen.“

Nichtsdestotrotz bleibt die Zuversicht: Die Angst, dass gar nicht mehr ausgebildet wird, habe sich nicht bestätigt. Vielmehr habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es im Gastgewerbe qualifizierte Fachkräfte braucht.

Positive Entwicklungen für Nachwuchskräfte

Das zeigt auch das Beispiel von Hannah Lehnert. Die 20-Jährige hat eine Ausbildung zur Hotelkauffrau im Hilton Hotel Berlin begonnen. Ihren Berufswunsch hat sie sich durch die Auswirkungen der Pandemie auf die Branche nicht vermiesen lassen. „Für mich war schon lange klar, dass ich diesen beruflichen Weg einschlagen möchte.“

Daran konnten auch erste Zweifel ihrer Familie nichts ändern. Vielmehr war Lehnert froh, dass sie die Möglichkeit hatte, ihre Ausbildung zu starten. „Ich bin der Meinung, Menschen werden immer verreisen wollen. Deshalb bin ich zuversichtlich in die Ausbildung gegangen.“

Womöglich steht die Branche in Sachen Ausbildung nun auch an einem Wendepunkt. Zumindest für potenzielle Nachwuchskräfte lassen sich positive Entwicklungen erkennen. „Unternehmen müssen sich mittlerweile sehr strecken, wenn sie Azubis bekommen wollen“, sagt Schink.

Gewinnung von Fachkräften deutschlandweit eine Herausforderung

Die Gewinnung von Fachkräften sei für Betriebe deutschlandweit eine Herausforderung, so Sandra Warden, Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Gesucht würden Mitarbeitende sowohl in Metropolen als auch auf dem Land, in Städten ebenso wie in den Urlaubsregionen.

Und diese „Enge des Arbeitsmarkts“, wie Schink es nennt, kann attraktiv sein. Für Auszubildende heißt das nicht nur, dass sie sich den Arbeitgeber in der Regel aussuchen können. Auch nach der Ausbildung steht ihnen die volle Bandbreite an Jobmöglichkeiten offen.

Dehoga-Geschäftsführerin Sandra Warden rät angehenden Azubis, sich zu überlegen, was für sie bei der Wahl des Ausbildungsbetriebs besonders wichtig ist: Ist es die Möglichkeit einer internationalen Karriere? Oder passt ein Familienbetrieb in der Heimatregion, wo ich verwurzelt bin, besser zu mir?

Arbeitszeiten jetzt flexibler

Auch die Abwägung zwischen einem Schwerpunkt auf den soliden handwerklichen Grundlagen oder auf innovativen, durchdigitalisierten Betrieben kann bei der Entscheidung weiterhelfen. Der „digitale Turbo“ macht sich laut Sandra Warden nämlich auch bei den Ausbildungsinhalten bemerkbar. Etwa, was Themen wie den Onlinevertrieb in der Hotelausbildung oder Bestell- und Bezahlsysteme angeht.

Ein Thema, das im Gastgewerbe immer wieder eine Rolle spielt, sind die Arbeitszeiten. Hier habe die Pandemie auch etwas Positives bewirken und zu einer Flexibilisierung beitragen können, sagt etwa Gisela Münchgesang, General Mangerin des Hilton-Hotels am Gendarmenmarkt in Berlin.

Arbeitgeber passen Bedürfnisse an neue Generation an

„Wir merken, dass wir uns da als Arbeitgeber an die Bedürfnisse einer neuen Generation anpassen müssen.“ Deswegen ließen sich auf Wunsch etwa Teilzeit-Stellen realisieren – und auch mobiles Arbeiten, etwa wenn es um administrative Tätigkeiten geht, sei möglich. Ein Aspekt, der den Neustart der Ausbildung im Hotel- und Gastgewerbe weiter ankurbeln soll, ist die Neuordnung der Ausbildungsberufe. Zum 1. August 2022 gelten für die Berufe in Gastronomie, Hotellerie und Küche aufgefrischte Ausbildungsordnungen.

„Wir haben in der Vergangenheit ein Problem mit der Qualität der Ausbildung gehabt“, sagt NGG-Referatsleiter Schink. „Da gab es Hotelfachleute, die 2 Jahre im Service versauert sind.“ Die überarbeiteten Ausbildungsordnungen sollen nun die Grundlage dafür schaffen, dass wesentliche Ausbildungsinhalte auch wirklich in der Praxis des Ausbildungsalltags verankert werden.

Betriebe unter Zugzwang

Mit der Neuordnung sind Betriebe unter Zugzwang: „Alle müssen sich jetzt vor dem ersten August mit dem Thema Ausbildung beschäftigen“, sagt Schink. Das scheint dringend nötig. Aus Sicht von Gisela Münchgesang etwa trägt auch das Bild, das die Öffentlichkeit von Berufen im Hotel- und Gastgewerbe hat, zu den Rekrutierungsproblemen der Branche bei. Hier sieht sie Nachholbedarf.

Auch Azubine Hannah Lehnert hat vor ihrer Ausbildung zur Hotelkauffrau im Internet recherchiert – und viel davon gelesen, dass Azubis eigentlich den ganzen Tag nur Betten machen und Zimmer sauber machen. Ihr Ausbildungsalltag sieht nun aber ganz anders aus.

Sie mag besonders, dass sie bereits viel Eigenverantwortung hat und zahlreiche Abteilungen des Hotels kennenlernen kann: von der Buchhaltung über den Roomservice bis hin zur Warenannahme. Langweilig wird es da nicht. „Ein Tag in der Buchhaltung unterscheidet sich dann natürlich sehr von einem Tag an der Bar – das zeigt die Komplexität der Ausbildung“, sagt sie.

Sie ist für ihre Ausbildung sogar extra von Hamburg nach Berlin gezogen. Die Arbeitszeiten machen ihr nichts aus. „Das erste Weihnachten ohne meine Familie zu verbringen, war aber schon ein komisches Gefühl.“ Da habe es geholfen, dass das Hotel besonders festlich geschmückt war und sie sich während der Festtage bei ihrer neuen „Arbeitsfamilie“ wohlfühlen konnte.

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