Berufsausbildung: Handwerker will offensichtlich niemand mehr werden
IHK und Handwerkskammer Oldenburg verzeichnen bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen ein Minus. Im Kreis Vechta sinkt die Zahl der Verträge im Handwerk bislang um satte 34 Prozent.
Überall fehlt der Nachwuchs: Die schwierige Situation am Ausbildungsmarkt spürt auch das Elektrohandwerk. Foto: ZVEH
"Azubis verzweifelt gesucht!" – Diese Überschrift einer Mitteilung der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer (IHK) ist Ausdruck einer höchst angespannten Situation auf den regionalen Ausbildungsmärkten. IHK und auch die Handwerkskammer Oldenburg verzeichnen im Vergleich zum Vorjahr bei den bis Ende Mai neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen einen Rückgang. Ob Industrie- oder Gewerbeunternehmen, Dienstleister oder Handwerk – die Betriebe im Oldenburger Land suchen derzeit händeringend Nachwuchskräfte. Auch im Oldenburger Münsterland sinkt das Interesse des Nachwuchses an einer beruflichen Ausbildung.
Der allgemeine Abwärtstrend bei den Ausbildungsverträgen setzt sich fort
Zum Vergleich: Im Jahr 2021 waren im Oldenburger Land 3938 neue Ausbildungsverträge eingetragen – 1 Prozent mehr als im Vorjahr. (2020: 3897; 2019: 4253). Im Landkreis Vechta waren es zuletzt insgesamt 669 Neuverträge (plus 2,6 Prozent), im Kreis Cloppenburg 583 neue Verträge (minus 4,7 Prozent).
Jetzt, im Mai 2022, gebe es bei den gewerblich-technischen Berufen mit minus 0,6 Prozent "nahezu stabile Zahlen" meldet Stefan Bünting, Leiter des Bereichs Bildung bei der IHK in Oldenburg, in den kaufmännischen Berufen allerdings ein Minus von 2 Prozent. Das höchste Minus gab es mit 16,3 Prozent im Kreis Wesermarsch. Erfreulich: Das Gastgewerbe bildet wieder mehr aus (plus 43,5 Prozent), ebenso der Bereich Elektrotechnik (plus 14,2 Prozent).
Als "herausfordernd" bezeichnet die Handwerkskammer Oldenburg die Situation auf dem handwerklichen Ausbildungsmarkt. Bis Ende Mai hatten sich 937 Schulabgänger im Oldenburger Land für die Aufnahme einer Lehre im Handwerk entschieden. Das ist laut Kammer ein deutliches Minus von 187 Lehrverträgen (16,6 Prozent), so der Geschäftsbereichsleiter Berufsbildung, Kai Vensler.
Ein dickes Minus gibt es bislang auch im Bereich der Kreishandwerkerschaft Vechta. Wurden 2021 im Zeitraum Januar bis Mai noch insgesamt 238 Ausbildungsverträge abgeschlossen, sind es aktuell nur 157 – ein sattes Drittel weniger. Besondere "Ausreißer" finden sich im Baubereich. So wurden 2021 noch 12 Verträge für eine Ausbildung zum Maurer abgeschlossen, aktuell nur 3. Ähnlich ist es im Beruf Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik: Waren es 2021 bis Ende Mai noch 20 Verträge, sind es aktuell lediglich 7.
Im Handwerk sind bislang kaum Ausbildungsverträge abgeschlossen worden
Die Kreishandwerkerschaft Cloppenburg verzeichnet ein Gesamtminus von 15 Prozent. Den aktuell geschlossenen 198 Verträgen standen 2021 im selben Zeitraum Januar bis Mai 233 Verträge gegenüber.
Deutlich fallen im Gesamtbezirk der Handwerkskammer die Vertragszahlen im Elektro- und Metallgewerbe mit minus 18,2 Prozent ab. Geradezu erschreckend hoch ist das Minus bei den kaufmännischen Berufen mit 25,8 Prozent.
Stefan Bünting ist Leiter des Bereichs Bildung bei der IHK in Oldenburg. Foto: Foto- und Bilderwerk
Die Gefahr einer Abwärtsspirale bei den Neuverträgen sei nicht gebannt, glaubt Vensler. Derzeit stelle man "eine erhebliche Verunsicherung bei den potenziellen Auszubildenden" fest. Die aktuellen Ausbildungszahlen zeigten zwar einen Trend, "aber der Ausbildungsmarkt ist weiter in Bewegung" warnt Bünting vor voreiligen Schlüssen zur Lage. Die Mehrzahl der Ausbildungsbetriebe biete weiter Plätze an und würde diese im Sommer auch kurzfristig vergeben, wissen die bei ihren Kammern zuständigen Fachleute für den Ausbildungsbereich.
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