Noch ist die Wirtschaft vor Ort stark, aber: Wird das in 20 Jahren auch so sein? Denn: Die Welt verändert sich technologisch und geopolitisch schneller als je zuvor. Auch der Kampf gegen den Klimawandel und der Fachkräftemangel erfordern ein Umdenken. Hinzu kommt der soziale Wandel – ein neues Konsumverhalten der Menschen und eine Gesellschaft, die immer älter wird.
In solch einer Situation stellen sich Unternehmen drängende Fragen. Es sind Fragen von schicksalhaftem Gewicht – für das gesamte Oldenburger Münsterland und seinen Wohlstand.
Wie sich Unternehmen der regionalen Schlüsselbranchen weiterentwickeln, wie sie ihre Transformation gestalten, aber auch welche Versäumnisse drohen können und welche Rolle der Politik zukommt, um wirtschaftlichen Erfolg abzusichern – um all das drehte sich am Donnerstagabend das „OM-Forum Wirtschaft“, zu dem die OM-Medien nach Emstek eingeladen hatten.
„Es geht um die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts“, sagte Dr. Michael Plasse, Geschäftsführer der OM-Mediengruppe, in seiner Begrüßung der 170 Gäste – Entscheider aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Sie waren gekommen, um im OM-Medienhaus Vorträge von Unternehmenslenkern und Impulsreferate von „Business Futurist“ Sven Göth sowie von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies zu hören. Zum Programm gehörte ebenso eine Podiumsdiskussion – auch sie wurde von Chefredakteur Ulrich Suffner und Wirtschaftsreporter Roland Kühn moderiert.
Nicht zuletzt war zudem das Netzwerken ein Ziel des „OM-Forums Wirtschaft“. Denn: Kooperation, Gemeinschaftssinn und Verantwortung für die Region – das sind Voraussetzungen für den bestmöglichen Weg in die Zukunft. Das jedenfalls wurde in vielen Positionierungen der Referenten deutlich. Wichtige Punkte und Themen des „OM Forums Wirtschaft“ im Überblick:
Haltung: Wie sehr die Denkweise entscheidend ist, um die Herausforderungen zu meistern, das betonte Sven Göth immer wieder in seinem Vortrag. Es gelte, sich strategisch mit der Zukunft auseinanderzusetzen. „Bleiben sie neugierig“ und „Sie müssen es schaffen, wieder zu spielen“ – so lauteten zentrale Ratschläge Göths, der Unternehmensberater in Sachen Zukunftsgestaltung und ein bekannter Keynote-Speaker ist.
Er befand: Vielen sei nicht bekannt, wie man Visionen gestaltet, Wachstumspotenziale definiert. Es gehe aber darum zu wissen, was das Produkt und den Service beeinflusse, wie Nachfrage funktioniert und interne Arbeitsprozesse zu gestalten sind. Außerdem: „Wenn ich etwas verändern möchte, hat Innovationskraft ganz viel mit Vorstellungskraft zu tun“, sagte er. Und: Man müsse „verstehen, was heute schon möglich ist“ und Auswirkungen auf das Geschäftsmodell hat – in technologischer Hinsicht.
Technologie und Ernährungswirtschaft: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Genetik – davon hängt sehr viel ab. Dabei geht es nicht nur um eine Steigerung von Effizienz und um neue Produkte, sondern auch um dieses Giga-Thema: die Ernährungssicherung für die Weltbevölkerung, deren Zahl von derzeit 8,2 Milliarden Menschen im Jahr 2050 auf 10 Milliarden anwachsen wird. Für das Oldenburger Münsterland als Zentrum der Agrar- und Ernährungswirtschaft ein zentraler Aspekt.
Hierauf hob Dr. Thomas Dalstein, COO (Operativer Manager) bei Big Dutchman ab. Er hatte in einem der Vortrags-Panels dargestellt, wie sein Unternehmen Digitalisierung und KI im Stall nutzt, um beispielsweise Licht, Lüftung, Klima und Futterversorgung zu steuern. Das helfe Landwirten. Und es kommt dem Tierwohl zugute. Letztendlich gehe es auch darum, „dass wir nachhaltig die Welt noch mit Proteinen versorgen können.“ So sagte es Dalstein vor dem gesamten Publikum.
Wie die Ernährung der Zukunft wiederum durch Pflanzen- und Tiergenetik gesichert wird, darüber referierte Professor Dr. Rudolf Preisinger, Senior Advisor Breeding and Biotechnology der EW Group, in einem Panel. Er sagte im Gesamtplenum: Mit Blick auf die Welternährung müsse auf Effizienz gesetzt werden. Das sei der Aufwand an Futtermitteln für Tiere – im Verhältnis zu den Kilogramm an Lebensmitteln für Menschen. Dies zu optimieren, das könne die Genetik leisten.
Peter Wesjohann, Vorstandsvorsitzender der PHW-Gruppe (Marke Wiesenhof) stellte in einem Panel vor, welche Bedeutung ein „Proteinmix für die Ernährungssicherung der Zukunft“ hat. Dabei ging es auch um alternative Fleischprodukte auf pflanzlicher Basis oder um Technologien, wie Insekten verarbeitet werden. Auch er nahm die wachsende Weltbevölkerung in den Blick.
Faktor Mensch: Roboter und autonome Systeme, die Arbeiten erledigen – welche Rolle spielt künftig der Mensch bei der Fertigung? Matthias Lesch, Geschäftsführer des Kunststoffherstellers Pöppelmann, sagte: Automation sei nichts Neues und in seinem Unternehmen in den Produktionsprozessen schon selbstverständlich verankert – auch um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Die Entwicklung auf dem Gebiet der KI führe dazu, dass stark umqualifiziert werden müsse. Denn es würden neue Tätigkeiten mit neuen Anforderungen entstehen. Im Zukunftsbild des Unternehmens werde der Mensch „aber immer noch wichtige Elemente beibehalten müssen“.
Wesjohann sagte: „Was unsere Produktionsbetriebe angeht, das sind wir schon sehr gut durchtechnologisiert“. Wenn es um die Verpackung gehe, da beginne man, mit vielen Menschen zu arbeiten. An der Stelle könne aber in Zukunft „einiges passieren“. Es gelte Zeitreserven freizuschaufeln, um die Produktivität zu erhöhen. Das sei dringend notwendig, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Energieversorgung: Ohne Energie steht alles still – doch sie muss bezahlbar sein, und es muss Versorgungssicherheit geben. Für den Nordwesten Niedersachsens könnten derweil im Zuge der Energiewende goldene Zeiten anstehen. Denn hier wird enorm viel Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt – ein Exportgut für die Versorgung ganz Deutschlands. „Der Nordwesten ist der Ruhrpott von morgen – nur in sauber“, das war der Titel des Panel-Vortrags von Stefan Dohler, dem Vorstandsvorsitzenden des Oldenburger Versorgers EWE AG.
Damit Energie bezahlbar bleibe, könne Nordwestdeutschland einen „Riesenbeitrag leisten“, sagte Dohler in seiner Zusammenfassung. Doch: Dafür müsse es auch etwas zurückgeben für die Region. „Das müssen wir hart einfordern“, sagte er. Und: Um das zukünftige Kraftzentrum zu werden, müsse man „pragmatisch schnell sein“ – und die Finanzierbarkeit sichern. 16 Milliarden Euro an Investitionen hatte Dohler zum Aufbau eines klimaneutralen Energiesystems angekündigt. Auch staatliche Gelder seien da notwendig. In puncto Beitrag der Verbraucher plädierte er für einen „klugen Mechanismus“, um eine Streckung auf 30 bis 40 Jahre zu erreichen. Der nachfolgenden Generation sei das durchaus zuzumuten, weil es mit Blick auf die Folgekosten des Klimawandels um ein Vielfaches teurer werde, nicht zu handeln.
Wirtschaftsminister Lies stellte in der Podiumsdiskussion wiederum kostenfreie Energie im Nordwesten als Idee vor – da sie überschüssig vorhanden sei. Es gelte jedenfalls, einen Mehrwert zu haben, etwa für das Betreiben eines Rechenzentrums. „Wir brauchen eine Regelung, die es Regionen ermöglicht, zu profitieren“, sagte der SPD-Politiker. Gebe es diesen Standortvorteil, steigere das auch die Akzeptanz für Großprojekte wie Trassen. Und: Dass der Energiekunde derzeit den Netzausbau finanziere, sei ein Systemfehler.
Rolle der Politik: Verlässlichkeit und Orientierung, dafür habe die Politik in Zeiten einer wirtschaftlichen Transformation ganz besonders zu sorgen, sagte Lies. Zugleich machte der Minister mehrmals darauf aufmerksam, dass der demografische Wandel „enorm“ sei – also die deutliche höhere Zahl an älteren Menschen im Vergleich zu den jüngeren. Für die Sicherung der sozialen Systeme sei deshalb mehr Beschäftigung nötig – also auch mehr Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Ebenso seien Investitionen in die Bildungsstruktur und in die Verkehrsinfrastruktur notwendig. Als Beispiel nannte er den Ausbau der E233. Hier bedauerte er, dass es ein Klageverfahren gibt. Außerdem seien die Zukunftsbranchen in den Blick zu nehmen. Dazu zähle die Agrar- und Ernährungswirtschaft. „Dass wir Lebensmittel brauchen, dürfte noch ziemlich lange der Fall sein“, sagte Lies.
Nachhaltigkeit: Steffen Breitenstein, CEO – also oberste Führungskraft – der Burwinkel Kunststoff GmbH erklärte: „Nachhaltigkeit ist unser Geschäftsmodell“. Man versuche mit dem Dreiklang aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Themen „enkelfähig“ zu sein – und die Geschäftszahlen der vergangenen zwei Jahre wertete er als Bestätigung. Kunststoff werde sogar attraktiver, sei nicht mehr zu verbannen. Breitenstein hatte dazu auch einen Panel-Vortrag gehalten.
Es sind insbesondere auch politische Vorgaben, die Unternehmen die Nachhaltigkeit auferlegen – vor allem, um das Klima zu schützen. Das „Green Deal“ genannte Gesetzespaket der EU soll bewirken, dass die Europäische Union bis 2050 CO2-neutral wird. Dafür gibt es das Regelwerk „ESG“. Das Kürzel steht für die englischen Begriffe Environmental, Social und Governance (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Damit der Weg zur vorgeschriebenen Praxis gelingt, fungieren Banken als Berater – und als Aufseher. Dazu sei man „auserwählt“, sagte Dr. Martin Kühling, Vorstand der Volksbank Vechta eG, mit ironischem Unterton. Man versuche, gemeinsam mit den Unternehmen einen Weg bei den ESG zu finden – und grundsätzlich seien diese ja richtig. Auch Kühling hatte in einem Panel referiert.
Kooperation: „Zukunft ist Teamgeist. Sie schaffen das 21. Jahrhundert nicht allein“ – das war eine der Mahnungen von Göth. Ein Satz, der sich auch auf regionale Kooperation beziehen lässt. Lies sagte: Das Oldenburger Münsterland habe es immer geschafft, als Region „stark und gemeinschaftlich aufzutreten“.
Fakten:
- Als Sponsoren unterstützten das „OM-Forum Wirtschaft“ diese Unternehmen:
- Big Dutchman, Calveslage
- Diekmann Elektronik, Damme
- EW-Group, Visbek
- PHW-Gruppe, Visbek
- Treuhand Weser-Ems, Oldenburg
- Varelmann Beratungsgesellschaft, Oldenburg
- Volks- und Raiffeisenbanken im Oldenburger Münsterland
- Wessendorf Systembeschichtungen, Emstek
- Gastronomie-Partner waren:
- Gasthof Evers Lüsche
- n & m Genuss, Essen
- Weingut Ulrich Osterloh