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Jeder will im Millionenspiel den nächsten Euro

Kolumne: Kopfball zum großen Kick – Thema: Der geplante Investoren-Deal.

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„Ja, is denn heut scho Corona?“ Fast. In den ersten 12 Minuten gab’s in den Stadien einen Rückfall in die leidige Corona-Zeit. Totenstille. Obwohl die Tribünen voll waren. Stiller Protest des 12. Mannes gegen die Kommerzialisierung. Überall Banner: „Wir werden kein Teil eures Deals sein. Scheiß DFL.“ Ein Shit-Storm der Fans gegen das abgesegnete Investorenmodell der DFL, das 800 Millionen bis eine Milliarde in die Kassen auch der Vereine spülen soll – gegen eine ungewisse Verpfändung von Teilen der Medienrechte über 20 Jahre.

Aufsehen erregende Aktionen, die teils mit Unterbrechungen durch das Werfen von Tennisbällen oder goldenen Schoko-Münzen gar kreativ endeten. Ein hörbares Statement gegen die Kommerzialisierung, die sie aber nicht ändern werden. Und: Warum nur die Rufe „Scheiß DFL“? Warum nicht: „Scheiß mein Verein“? Denn bis auf Freiburg, Union Berlin und Köln stimmte kein Erstligist dagegen. Jeder will in dem Geldzirkus auch den nächsten möglichen Euro mitnehmen. Sie alle wollen, dass neben dem Ball vor allem der Rubel rollt.

Gespenstische Ruhe beim Spitzenfußball, eine gruselige Stimmung. Diesen Fußball will hier keiner. Der große Kick lebt von Begeisterung und Wettstreit. Die Fans, die im Stadion singen und Fahnen schwenken, sind elementare Partner des Spiels da unten auf dem Rasen. Die Kommerzialisierung sorgt zusehends für eine Entfremdung, die Fans sind weniger gefragt, werden nur geduldet. Wichtiger sind die Fernsehkonsumenten, alles ist im Millionenspiel auf sie gerichtet.

„Nur dürfen die Fans nicht auf der Strecke bleiben.“

Exemplarisch die mediale Begeisterung über Bochums Asano, der eine Schoko-Münze aufhebt, die Süßigkeit isst und dank neuer Power mit seinem Tor den Sieg einleitet. Sky-Schreihals „Buschi“ Buschmann, der über seine Gags und Weisheiten wohl als einziger lacht, kriegt sich nicht mehr ein. Eine absurde Banalität, wichtiger als das Spiel.

Leipzigs Fans isolierten sich übrigens aus der Community, sie feuerten ihr Team mit dem Anpfiff lautstark an. In der 10. Minute skandierten sie den Namen ihrer Nummer zehn, Emil Forsberg, der später nach seiner Einwechslung einen märchenhaften Abschied als Klubidol feierte. Aber bei den Roten Bullen fremdeln sie halt auch nicht mit hineingepumpter Kohle. Im Grunde geht’s aber überall nur ums Geld. Schlagzeilen der Woche? Florian Wirtz steigert laut Transfermarkt-Update seinen Marktwert von 85 auf 100 Millionen. Bayern München hat in der Champions League bereits 75,41 Millionen sicher. Deutsche Klubs zahlten 2023 laut Fifa unglaubliche 81,6 Millionen an Spielerberater, ohne dass diese ein Tor erzielten oder auch nur eine Flanke schossen.

Die Kommerzialisierung lässt sich nicht aufhalten, nur dürfen die Fans nicht auf der Strecke bleiben. Die Hardcore-Fans der Klubs sind leidensfähig. Es bleibt spannend, ob sich ab einem gewissen Punkt der normale Fan vom großen Kick abwendet und damit das deutsche Kulturgut Fußball seine Identität verliert.

Noch ein Wochenspieltag, dann ist Pause. „Ja, is denn heut scho Weihnachten?“ Fast. Aber von Bescheidenheit oder Besinnlichkeit keine Spur. Die Vorboten kündigen an, dass sich bald das Transferfenster öffnet. Stuttgarts Überflieger Guirassy kann dank Ausstiegsklausel für 20 Millionen gehen. Ein Schnäppchen. Und, und, und. Die Millionen werden weiter hin- und hergeschoben.

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