An der Pariser Straße in Vechta kennt sich Gerrit Kersten-Thiele gut aus. Er war schon x-mal zu Gast. Mal nur als Zuschauer im Rasta-Dome, mal als gewiefter Spielerberater, der in den Verhandlungen mit der Führungsetage von Rasta Vechta vor allem das Wohl seiner Klienten im Sinn hatte. In Zukunft wird Kersten-Thiele noch häufiger in Vechta sein, denn der 41-Jährige wechselt die Seiten – er verlässt die von ihm gegründete Sportmanagement-Agentur „Scorers 1st“ und besetzt ab dem 1. März die beim Basketball-Zweitligisten neu geschaffene Position des Sportdirektors. Das gab der Tabellen-14. der 2. Bundesliga ProA am Mittwochmittag bekannt.
„Ich freue mich riesig auf die neue Aufgabe. Es ist eine sehr reizvolle Herausforderung, die andere Seite im Basketball zu gestalten“, erklärte Kersten-Thiele im OM-Medien-Gespräch. Und weiter: „Die Arbeit im Vereinsmanagement hat mich schon immer gereizt.“ Jetzt bekomme er die Chance an einem „unfassbar interessanten Standort“ – bei einem Verein, der „zu den Top-22-Organisationen in Deutschland gehört“. Er freue sich, in Zukunft Teil einer „außergewöhnlichen Atmosphäre“ zu sein.
Kersten-Thiele, der als Agent zuletzt auch die früheren Rasta-Spieler Philipp Herkenhoff, Luc van Slooten, Michael Kessens und Robin Christen zu seinen Klienten zählte, stürzt sich voller Tatendrang in die neue Aufgabe. Aus seiner Agentur („Mein Baby“) scheidet er „zu 100 Prozent“ aus. Er sieht sie in guten Händen, „trotzdem war's keine leichte Entscheidung“.
Stefan Niemeyer: Entschluss ist lange gereift
Der Entschluss, erstmals in der Klubgeschichte einen Sportdirektor zu installieren, sei „lange gereift“, erklärte Rastas Alleingesellschafter Stefan Niemeyer. Seit der Professionalisierung des Klubs sei man in vielen Jahren gut damit gefahren, dass der Trainer für die Zusammenstellung der Profi-Mannschaft zuständig war. „In den letzten zwei Jahren ist der Erfolg leider ausgeblieben“, gab Niemeyer zu, „und so haben wir natürlich analysiert, inwiefern wir uns für die Zukunft besser aufstellen können.“
2020/21 war Rasta sang- und klanglos aus der 1. Bundesliga abgestiegen, auch die ProA-Saison 2021/22 läuft bislang eher enttäuschend. Zwei Trainerentlassungen (Thomas Päch, Derrick Allen), diverse Fehlgriffe bei der Kaderplanung sowie insgesamt zehn Nachverpflichtungen während der beiden Spielzeiten offenbarten die Defizite.
Mit Blick auf das Profi-Team und den Nachwuchsleistungsbereich (Young Rasta Dragons, U-19- und U-16-Bundesliga) habe man jetzt tätig werden müssen. Niemeyer: „Ein Trainer alleine kann diese Entwicklungen nicht im Blick haben, er braucht nicht nur Unterstützung, sondern teilweise auch Führung.“ Nur so könne man das ganze Potenzial der Region abrufen und „den Erfolg unseres Leuchtturm-Projektes, also der Profi-Mannschaft, weiter verfolgen.“
Man kenne Kersten-Thiele bereits seit einigen Jahren, so Niemeyer: „Es war immer eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, es herrscht eine große gegenseitige Wertschätzung.“ Und er ergänzte: „Ich habe großen Respekt davor, dass Gerrit seine Komfortzone verlässt und praktisch die Seiten wechselt.“ Er sei „hungrig auf Erfolg“ und werde den Klub „definitiv bereichern“.
Die Rückkehr in die 1. Bundesliga ist das große Ziel
Kersten-Thiele ist ab dem 1. März verantwortlich für den gesamten Leistungssport im Klub – für die Trainer, das Profi-Team, das Farmteam (aktuell Spitzenreiter der 1. Regionalliga Nord) und die Young-Rasta-Dragons-Kooperation mit dem TSV Quakenbrück. Er wolle den gesamten Nachwuchsbereich im Blick haben, „damit Perspektiven für den Klub und die Spieler entwickelt werden können“, so der neue Sportchef: „Rasta Vechta kann und soll einer der besten Standorte für Spieler sein, um den nächsten Schritt in ihrer Karriere zu machen – unabhängig von Nationalität oder Alter.“
Er wolle „Ideen und Visionen entwickeln“ und „die Klubführung auf dieser Reise mitnehmen“, so Kersten-Thiele. Gemeinsames Ziel sei es, Rasta Vechta zurück in die 1. Bundesliga zu bringen und dort zu etablieren. „Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass dies möglich ist“, erklärte Kersten-Thiele.
Aktuell liegt sein Fokus aber „voll auf der laufenden Saison“, schließlich sei die Abstiegsgefahr noch nicht gebannt. Dass die Artland Dragons am Dienstagabend nach zuvor sieben Niederlagen in Serie mit einem 103:97-Sieg nach Verlängerung gegen Tübingen ein Lebenszeichen im ProA-Keller sendeten und dank Adam Pechacek (40 Punkte) den Rückstand auf Rasta auf sechs Zähler verkürzten, dürfte die Sinne in Vechta noch mal zusätzlich schärfen. „Wir sind alle gut beraten, dass wir nur an das nächste Spiel denken“, meinte Kersten-Thiele. Rasta gastiert am Sonntag (16.00 Uhr) beim Vizemeister Bayer Leverkusen. Aber klar sei auch, dass demnächst ein „gewisser Neuordnungsprozess“ angestoßen werden müsse.
Wichtige Entscheidungen stehen an, Kersten-Thiele nannte ein paar Beispiele: „Wie wollen wir spielen lassen? Wie soll das Team aussehen? Welche Spieler kommen für unsere Philosophie infrage? Von welchen Spielern können wir als Klub profitieren und wem können wir genauso helfen?“ Das seien Fragen, die er mit der Klubführung und den Trainern erörtern wolle und die er „letztlich auch entscheide“.
Zur Person: Gerrit Kersten-Thiele
- Der 41-Jährige, geboren am 1. Juli 1980, stammt aus Göttingen. Dort ist er auch aufgewachsen.
- Er ist verheiratet und wohnt in Meerbusch bei Düsseldorf.
- Karriere als Basketballer: Als Flügelspieler spielte er für die BG Göttingen; in der 1. Regionalliga Nord gab's auch Duelle mit Rasta Vechta.
- Studium: Sport & Management (Fernstudium, IST-Hochschule für Management in Düsseldorf).
- 2003 gründete er mit einem Partner die Agentur „Scorers 1st Sportmanagement“.
- Frühere prominente Klienten der Agentur waren Danilo Barthel und Tim Ohlbrecht.
- Bis zur Übergabe der Agentur betreute er auch die ehemaligen Rasta-Spieler Philipp Herkenhoff (jetzt Ulm), Luc van Slooten (Braunschweig), Robin Christen (Hamburg) und Michael Kessens (Bonn).