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Diese Vorrunde könnten wir ja sogar überstehen

Kolumne: Kopfball zum großen Kick – Thema: Das Losglück der deutschen Fußballnationalmannschaft und die Lehren aus der U-17-WM.

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Was für ein pompöses Schauspiel: Ergraute Schlipsträger aus ganz Europa fluteten die „Elphi“, Hamburgs edelste Stube. Gähnende Langeweile in ihren Gesichtern. Eine geschlagene Stunde plätscherte dieses Auslosungsspiel vor sich hin. Schottland, Ungarn und die Schweiz für Deutschland. Früher hätten wir uns wegen des typisch deutschen Losglücks auf die Schenkel geklopft, heute falten wir die Hände: Da könnten wir die Vorrunde diesmal doch glatt überstehen.

Aber wie kann’s funktionieren? Während die Protagonisten Rudi Völler („Wir respektieren jeden Gegner“) und Julian Nagelsmann („Eine sehr interessante Gruppe“) die üblichen Floskeln absonderten, gab’s für alle Meinungsmacher nur einen richtigen Weg: So spielen wie die U17. Passgenau am Tag der Auslosung die Erleuchtung im deutschen Fußball: Der WM-Titel der Jungs als Hoffnungsschimmer. Gewonnen durch spielerische Qualität, aber vor allem durch altdeutsche Tugenden wie Einsatz, Wille, Mut und Zuversicht. Als echte Einheit auf dem Platz. Teufelstrainer Christian Wück, der Junioren-Bessermacher, gilt gleich als logischer Nagelsmann-Nachfolger, falls der bei der Heim-EM seinen Ruf ruiniert. Und Paris Brunner, der beste WM-Spieler, muss unbedingt mit ins EM-Team. Sofort.

"Der Traum von einer goldenen Generation? Viel Träumerei."

Eine goldene Generation soll geboren sein. Aber Vorsicht bei solch einer Schwärmerei. Die Irrungen und Wirrungen des jugendlichen Lebens sorgen dafür, dass die überwiegende Mehrzahl es nicht an die Spitze im Herrenbereich schafft. Trotz der vielen Titel und Erfolge der Juniorenteams in den letzten 40 Jahren gab’s nur eine goldene Generation: In Hrubeschs U21-Europameisterteam von 2009 standen mit Neuer, Hummels, Boateng, Khedira, Höwedes und Özil gleich sechs Weltmeister von 2014. Was blieb etwa aus den Finalteams der nachfolgenden Junioren-Europameister? Aus der U19 des Jahres 2014 glückte Kimmich und Brandt der Sprung, aus der U21 von 2017 schaffte es nur Gnabry, zwischendurch mal Arnold. Und die U21-Europameister von 2021? Wirtz ja, Schlotterbeck und Raum laufen mal mit. Wenig, wenig.

Der Traum von einer goldenen Generation? Viel Träumerei. Die Realität bleibt Rätselraten um die Nationalmannschaft und den Bundestrainer. Das ZDF schlussfolgerte nach der Auslosung zumindest: „Für Nagelsmann beginnt jetzt die ganz konkrete Arbeit.“ Was hat er denn im Herbst gemacht? Und was muss er nach den Testspielen im März gegen die Niederlande und Frankreich machen? Hoffentlich nicht erneut aufkommende Rufe nach Rudi Völler ertragen. Deutschlands größter Sympathieträger steht, so witzig sein Weizenbier-Gepolter mit Waldi Hartmann war, auch für den tiefsten Tiefpunkt auf Island und das klägliche Scheitern bei der EM 2004. Und nur Pushen mit Floskeln reicht vielleicht für ein Spiel wie gegen Frankreich, mehr nicht.

Besser ziehen wir diese Heim-EM mit Julian Nagelsmann durch. Er wurde in Hamburg in irgendeinem Interview sogar konkreter und kündigte die ein oder andere neue Herangehensweise an. Vielleicht eine Besinnung auf altdeutsche Tugenden wie bei den U17-Weltmeistern? Vielleicht Mentalitätsspieler Thomas Müller als rechter Verteidiger? An Fantasie mangelt es Nagelsmann bekanntlich nicht. Und dank dieser Auslosung könnte es ja doch sein, dass wir die Vorrunde überstehen.

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