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Wie Lena Kamphaus die richtigen Worte findet

„Mensch der Woche“: Die Lohnerin ist seit dem Frühjahr als Trauerrednerin aktiv und gibt Angehörigen ein schwerer Zeit etwas Schönes mit auf den Weg.

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„Erinnerungswerk“: Lena Kamphaus steckt viel Herzblut in ihre Arbeit als Trauerrednerin. Foto: Danny Schöning

„Erinnerungswerk“: Lena Kamphaus steckt viel Herzblut in ihre Arbeit als Trauerrednerin. Foto: Danny Schöning

Empathie, Sensibilität, Fingerspitzengefühl, Offenheit und gutes Zuhören sind Eigenschaften, die bei der Tätigkeit von Lena Kamphaus unverzichtbar sind. Denn die Lohnerin ist als Trauerrednerin aktiv. In dieser Funktion blickt sie bei Abschieden mit von ihr verfassten Lebensreden auf die hinterlassenen Spuren der Verstorbenen zurück. Einfühlsam, persönlich und mit Liebe zum Detail. So gelingt es ihr, den Angehörigen in schwerer Zeit etwas Schönes mit auf den Weg zu geben.

Ausbildung zur Industriekauffrau

Nach dem Realschulabschluss und dem Besuch der Handelsschule absolvierte Lena Kamphaus eine Ausbildung zur Industriekauffrau in einem Kunststoffspritzgießunternehmen in Lohne und bildete sich später zur Industriefachwirtin fort. Noch heute arbeitet sie in Teilzeit in diesem Beruf im selben Unternehmen.

Praktikum im Bestattungsunternehmen

„Vor knapp 10 Jahren ist meine Schwiegermutter plötzlich im Ausland verstorben. Seitdem hat mich der Gedanke an den Bestatter-Beruf nicht mehr losgelassen.“ Im vergangenen Jahr absolvierte sie daher ein Praktikum in einem Bestattungsinstitut in Vechta. „Es ist ein spannender Job. Beim Praktikum habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, die Angehörigen in dieser besonderen Zeit zu begleiten und ihnen Halt zu geben“, berichtet die Lohnerin.

IHK-zertifizierte Ausbildung

In diesem Zusammenhang wurde sie auf das „Redekunstwerk“ in Georgsmarienhütte aufmerksam, wo sie im Frühjahr diesen Jahres eine IHK-zertifizierte Ausbildung zur freien Rednerin samt Prüfungen erfolgreich absolvierte. Seitdem ist Lena Kamphaus freiberuflich als freie Rednerin unter den Namen „Erinnerungswerk“ aktiv. Im Juni hielt Lena Kamphaus ihre erste Lebensrede, mittlerweile sind es deren knapp 20. Der Kontakt zu den Angehörigen erfolgt entweder direkt oder über die Bestatter.

Ungezwungenes persönliches Gespräch

Bei der ersten telefonischen Kontaktaufnahme mit den Angehörigen hört Lena Kamphaus heraus, wann der richtige Zeitpunkt für einen persönlichen Gesprächstermin sein könnte. Bei diesem unterhält sie sich in entspannter, ungezwungener Atmosphäre mit den Angehörigen über die verstorbene Person. Was hat sie ausgemacht? Wie war der Charakter? Was war typisch für die Person? Was war ihr wichtig? Welche Hobbys hatte sie? Diese und andere Fragen werden im Gespräch beantwortet. Dabei geht es auch darum, zwischen den Zeilen zu lesen und sich in die Köpfe der Angehörigen hineinzuversetzen.

„Jede Lebensgeschichte ist einzigartig. Daher ist jede Rede komplett anders.“

Lena Kamphaus

„Auf dem Weg nach Hause habe ich oft schon eine Idee im Kopf.“ Jede Lebensrede hat ein Thema, das sich wie ein roter Faden durchzieht. „Jede Lebensgeschichte ist einzigartig. Daher ist jede Rede komplett anders. Es geht um die Individualität und darum, auf das ganze Leben mit seinen positiven und auch mal negativen Facetten zu blicken.“

Individuelle Ausschmückung

Wichtig ist Lena Kamphaus auch die individuelle Ausschmückung der Trauerfeiern. „Da gibt es viele schöne gestalterische Möglichkeiten. “ So müsse eine Trauerfeier nicht zwingend am Beisetzungsort stattfinden, sondern könne auch am Lieblingsort wie im eigenen Garten stattfinden. Ferner spielen bedeutende Gegenstände aus dem Leben der verstorbenen Person eine visuelle Rolle. „Die persönliche Note ist ganz wichtig. Die Trauerfeier ist etwas Einmaliges, da muss alles zu 100 Prozent stimmen.“
Schätzungsweise 10 reine Schreibstunden benötigt sie für eine Lebensrede, die sie dann in Friedhofskapellen, Friedwäldern, Krematorien oder am Wunschort hält. Anschließend erhalten die Angehörigen die Rede in ausgedruckter Form als Erinnerung.

Von Rede zu Rede dazulernen

„Ich lerne von Rede zu Rede dazu“ , sagt Lena Kamphaus. Sie durfte schon Abschiede von zwei 100-jährigen begleiten ebenso wie von jungen Menschen. „Das bleibt natürlich besonders hängen, wenn Eltern ihre Kinder gehen lassen müssen.“ Auch eine Band habe schon bei einer Beisetzung gespielt.
An teils mehreren Lebensreden arbeitet Lena Kamphaus pro Woche, aber immer nur so viele, dass sie die Angehörigen zu 100 Prozent begleiten kann, denn das ist ihr eigener Anspruch. So kommt es auch mal vor, dass sie eine Begleitung verneint, um in Gänze für die Angehörigen da sein zu können.

Herzensprojekt behutsam wachsen lassen

„Ich hätte nie gedacht, dass es so schnell solche Dimensionen annimmt.“ So möchte sie ihr Herzensprojekt, in das sie viel Engagement und Herzblut investiert, behutsam wachsen lassen. „Es kommt wie es kommt.“ Lena Kamphaus freut sich über die große Wertschätzung, die sie für ihre Tätigkeit von den Angehörigen erhält. „Das größte Kompliment ist für mich, wenn die Angehörigen nach der Rede zu mir sagen, dass der oder die Verstorbene genau so war, wie es in der Rede rübergekommen ist.“
In ihrer Freizeit ist die Lohnerin gerne mit ihrer Familie draußen. „Ich mag es, unter Menschen zu sein und gehe auch gerne feiern.“ Lena Kamphaus hatte nie das Bedürfnis, in die weite Welt zu müssen. Entsprechend wohl fühlt sie sich in Lohne. „Der Freundeskreis und die Familie sind hier. Es gibt einen tollen Zusammenhalt. Das genieße ich sehr.“

Temperamentvoll und feinfühlig

Die Mutter einer Tochter ist ein temperamentvoller und zugleich sehr feinfühliger und empathischer Mensch. „Ich glaube, grundsätzlich kommt man ganz gut mit mir aus.“

Helligkeit und Wärme in schwere Zeit bringen

Für das kommende Jahr ist ein schöner Urlaub mit der Familie geplant. „Auf diese Weise möchte ich auch etwas zurückgeben für den Support, den ich durch meine Familie erhalte und ohne den meine Tätigkeiten nicht möglich wären.“ Bis es so weit ist, möchte sie noch viele Menschen mit ihren individuellen Trauerreden begleiten und in die Schwere der Zeit etwas Helligkeit und Wärme bringen, um diese Zeit etwas leichter zu machen.

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