Seit Anfang 2018 ist der heftig umstrittene Windpark Kammersand bei Harkebrügge in Betrieb, seit über einem Jahr ist das Thema weitestgehend aus den Schlagzeilen verschwunden. Jetzt taucht es wieder auf: Die Ratsfrauen Waltraut Frerichs und Annegret Meyer, die für die Bürgerfraktion Barßel im Gemeinderat sitzen, erheben in einem offenen Brief schwere Vorwürfe gegen Bürgermeister Nils Anhut und Windpark-Betreiber Christoph Raming.
Meyer und Frerichs hatten am 9. Juli bei der Gemeinde schriftlich beantragt, den Nutzungsvertrag der Gemeinde als Grundstückseigentümerin für den Windpark Kammersand und den dazu gehörenden Nachtrag einsehen zu dürfen. Diese Akteneinsicht steht Ratsmitgliedern nach Paragraf 58 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes zu.
Meyer und Frerichs werfen Raming vor, gelogen zu haben
Auf die vorgelegten Akten reagierten Frerichs und Meyer allerdings überaus wütend. „Im Zuge unserer Prüfung mussten wir feststellen, dass wir getäuscht wurden und dass man uns anstelle der Originaldokumente irgendwelche unmaßgeblichen Entwurfsfassungen zur Verfügung gestellt hat“, monieren sie in einem Schreiben an Bürgermeister Nils Anhut. „Die Akten waren nicht vollständig“, konkretisiert Frerichs im Gespräch mit unserer Redaktion. „Es fehlten Unterschriften und die Anlagen waren als Entwurf gekennzeichnet.“
Darüber hinaus werfen die Ratsfrauen in ihrem Schreiben an den Bürgermeister dem Geschäftsführer der Windparkgesellschaften, Christoph Raming, vor, seine eigenen Gesellschafter, darunter eben auch die Gemeinde Barßel, zu belügen.
„Uns sind auch keine anderen Fassungen bekannt, etwas anderes haben wir auch nicht unterschrieben.“
Michael Sope, Erster Gemeinderat
Raming, der auch CDU-Ratsmitglied und Ratsvorsitzender ist, habe in dem Nachtrag zu den Nutzungsverträgen „suggeriert, die Anlieger hätten sich mit den Gesellschaften über die ihnen zustehende Höhe der Entschädigungen geeinigt“, schreiben Frerichs und Meyer. „Fakt ist aber, es gibt keine Vereinbarungen mit den Anliegern, geschweige denn mit allen Anliegern“, so ihr Vorwurf. Raming habe die Gemeinde damit vorsätzlich belogen und sei es deshalb „nicht würdig, diesem Rat weiter anzugehören, geschweige denn ihm vorzusitzen“.
Barßels Erster Gemeinderat Michael Sope, der aktuell den Bürgermeister vertritt, kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Die Gemeinde habe den Ratsmitgliedern Frerichs und Meyer am 21. Juli die beantragten Akten zur Einsicht vorgelegt, sagt er. „Das waren der Nutzungsvertrag mit der Unterschrift des Bürgermeisters und der Nachtrag zum Nutzungsvertrag, ebenfalls mit der Unterschrift des Bürgermeisters.“
Andere Verträge würden der Gemeinde zu dem Vorgang nicht vorliegen. „Uns sind auch keine anderen Fassungen bekannt, etwas anderes haben wir auch nicht unterschrieben“, betont er. „Das, was in dem Nachtrag steht, wurde von den Gesellschaftern so beraten und beschlossen.“
„Wenn man Betrug wittert, dann sollte man den Staatsanwalt einschalten.“
Michael Sope, Erster Gemeinderat
Die Gemeinde habe verständlicherweise nur die Fassungen mit ihrer eigenen Unterschrift in den Akten. Die Originaldokumente mit den Unterschriften aller Vertragsparteien würden bei der Windparkgesellschaft liegen. „Es kann ja schließlich nur ein Original geben“, so Sope. Er gehe natürlich davon aus, dass sich die Dokumente nicht unterscheiden. „Wenn man Betrug wittert, dann sollte man den Staatsanwalt einschalten“, rät er den Ratsfrauen.
"Kein Kommentar" von Christoph Raming
Darüber denken Meyer und Frerichs inzwischen auch nach. Sie haben die Gemeinde aufgefordert, ihnen die Originale der eingeforderten Dokumente bis morgen, 6. August, vorzulegen. „Wenn die Dokumente dann nicht da sind, müssen wir uns Rechtsschutz suchen, also Anzeige erstatten“, sagt Frerichs. Das ist harter Tobak, ich weiß, aber wir fühlen uns getäuscht und haben keine andere Wahl.“
Christoph Raming wollte sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen nicht äußern. „Kein Kommentar“, sagte er auf Anfrage von OM-online. „Die Vorwürfe sind haltlos.“